Spanienreise in Coronazeiten: Deza

In Spanien zu Corona-Zeiten ohne Menschengedränge unterwegs sein? Das geht ganz besonders gut in Deza in der nordöstlichen Ecke der Provinz Pontevedra in Galicien. Mit meiner Familie war ich sechs Wochen dort. Die Anwohner fanden das so exotisch, dass uns sogar das Lokalradio interviewt hat.

Von Tobias Büscher

Deza, genauer gesagt O Deza, findet touristisch kaum statt. Auch im Internet nicht. Wenn Sie Deza googlen, tauchen erst einmal eine Ortschaft in der Provinz Soria auf, ein Verein für humanitäre Hilfe und eine Baufirma. Daher ist die Gegend, benannt nach dem 50 km langen Río Deza, etwas für Individualurlauber und Abenteurer. In den Dorfkirchen entdecken Forscher schon mal mittelalterliche Wandgemälde hinter dem Altar. Noch öfter stoßen sie in den Kastanienwäldern auf verschüttete alte Siedlungsmauern der Kelten. Und was Besucher aus dem Ausland entdecken: Sie sind hier Exoten. Es gibt keine Souvenirshops, keine Autos mit Mannheimer Kennzeichen und schon längst kein Schild mit der Aufschrift: Hier kocht ein deutscher Koch.

Kastanienwälder, glasklares Wasser und eine Bühne für Iglesias

Mit meiner Frau und meiner kleinen Tochter habe ich mich in Lalín in eine Wohnung mit großer Küche eingemietet. Lalín (20.000 Ew.) ist die größte Stadt in Deza. Zur Recherche waren wir dort. Denn die Kleinstadt liegt geografisch genau im Zentrum von Galicien in Nordwestspanien. Und Deutsche, hab ich den beiden gesagt, gibt es in Lalín außer uns garantiert keine.

Marie, zu dem Zeitpunkt sechs Jahre alt, hat sich sofort mit den Kindern, den Köchen und dem Bürgermeister angefreundet. Und die ganze Zeit über eigentlich nur drei spanische Worte gelernt: Pulpo, Miel und Helado (Seekraken, Honig und Eis). In der Sierra südlich von Lalín gibt es noch alte Schutzwälle, in denen die Bienenstöcke vor Wildschweinen und Bären geschützt waren. Bis heute imkern die Anwohner dort fast nur für den Eigenbedarf. 

Die Highlights in Deza waren für meine Tochter der Wasserfall A Fervenza do Toxa, der über 30 Meter in die Tiefe rauscht, Flussbaden knapp unter der Quelle, natürlich eben diese Pulperías (Kraken-Restaurants), die es hier so häufig gibt wie bei uns Pommesbuden. Und der Reitunterricht bei Laura. Einmal hat sie sogar echte Wildpferde gesehen. Wahnsinn.

Meine Frau wiederum fand die Rückfahrt von einem Ausflug nach Santiago de Compostela klasse. Denn damals im August sind uns die vielen Besucher von den Kreuzfahrtschiffen und die extrem vielen deutschen Pilger im Zentrum der galicischen Hauptstadt aufgefallen. Die Ruhe selbst hatte sie dann in dem spektakulär schönen, verlassen Kloster von Carboeiro. Der hohe Innenraum ist so grandios, dass ihn schon Kitschsänger Enrique Iglesias als Bühne genutzt hat für das Lied Noche y de Día. Und die beste Aussicht vom nahegelegenen Monte Faro fand sie auch gut, wo der Nebenweg des Jakobsweg verläuft, der Camino del Invierno. Und auch den Besuch des Klosters Oseira, wo uns einer der Geistlichen das Zimmer gezeigt hat, in dem Graham Greene (1904-1991) in den 1970er Jahren seinen Roman Monsignor Quixote schrieb. 

Männersache: Mode und Fußball

Deza, da fühlen sich auch die Männer wohl, wetten? Die Highlights: Fußball spielen in dem kleinen Ort Rodeiro östlich von Lalín. Das Spiel läuft einmal im Jahr mit den Teams Ledige gegen Verheiratete (Casados contra Solteiros), siehe Bild unten. Die Casados waren alle außer mir Schweinefleischhändler. Und die Solteiros alle die Söhne der Schweinefleischhändler. Wenn Sie dort sind: In der Bar Esmorga gibt es das beste Mittagsmenü, und im städtischen Freiluftpool gegenüber ist das Schwimmen gratis.

Auf einen Kaffee zu Manuel

Den besten Kaffee wiederum bietet mein Kumpel Manuel im  Zentrum von Lalín in der Straße Alcalde Ferreiro 4. Sein Barcafé mit Namen Jácome ist eine dieser typischen spanischen Bars mit TV für die 1. spanische Liga, Spielautomaten, einfachen Tischen, Getränken vom einfachen Weißwein bis zum besten Tresterschnaps (Orujo). Und wer Spanisch kann: Der Mann ist eine Fundgrube und hat mir bei der Recherche wunderbare Tipps gegeben: Wo das Eselrennen steigt, zum Beispiel.

Dann, klar, Florentino. Der Schneider aus Lalín stellt ausschließlich Männermode her. Der kann das. Seine Hemden bei uns zu tragen hat etwas. Da ist man der einzige, denn Läden hat Florentino nur in Spanien und Lateinamerika.

Lalín liegt 50 km südöstlich von Santiago auf halbem Weg in die Ribeira Sacra, der besten Weinregion für galicischen Vino Tinto. Ganz klar. Wir kommen wieder ...

Übrigens: Als ich direkt nach der Ankunft in Lalín eine ziemlich gut gekleidete Frau auf Spanisch nach dem Weg zu einem Platz fragte, wo wir den Bürgermeister treffen wollten, antwortete sie mir wörtlich: „Hier lang.“ Sie war auf eine Hochzeit eingeladen und hatte meine Herkunft am Akzent erkannt. 

Der Autor

Tobias Büscher ist Autor des Buchs Galicien und Jakobsweg und hier umringt von hoher Prominenz. Links sitzt Victor Vázquez Portomeñe, der Erfinder des modernen Jakobskults, rechts Antón Lamazares, der bekannteste Künstler Galiciens. Foto: Silke Büscher.

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