Chueca: Madrids Kultviertel

Madrids Kultviertel: Design-Bars, und schräge Galerien, originelle Schuhläden, Transen, die mit Pudeln Gassi gehen und knutschende Homos: Chueca ist in Madrid derzeit besonders beliebt.

von Tobias BüscherAm 17. Januar jeden Jahres spielen allerdings nicht Trends, sondern Traditionen eine Rolle. Dann nämlich umla­gern Hauskatzen, Vögel, Schweine und Hunde mit ihren Herrchen den Eingang der Iglesia de San Antón in der Nr. 63.

Am Tag des Patrones der Kirche werden die Tiere gesegnet, um ihnen den Aufstieg ins Himmelreich zu ermöglichen. Selbst die Pferde der Guardia Civil bitten um die Gnade des Herrn.

Unbe­ein­druckt von alldem geht in Chueca der Alltag weiter, und über manchen Straßen liegt fast dörfliche Ruhe.

Im Kiez der Großstadt Madrid: Chueca

Aber Chueca ist nicht gleich Chueca. Die Calle Barquillo schlägt einen Keil in das Viertel, und spaltet es in zwei Gebiete, die außer ihrem Namen nur wenig gemein haben.

In Richtung Calle Hortaleza liegt das derzeitige In-Viertel der Stadt.

Hier hat der Schauspieler Javier Bardem (siehe spanischer Film) eine Wohnung, leben die Lebenskünstler und arbeiten die Nachwuchskreativen.

Ob im Hellen zum Shoppen oder nachts zum Ausgehen, rund um die Metrostation Plaza Chueca sind die Straßen mit Namen Barbieri, Libertad und Infantes heute so angesagt wie nie zuvor.

Chueca ist die Schwulenhochburg Spaniens

In der unbeschwerten Atmosphäre der Bars und Kneipen treffen sich Homo- und Heterosexuelle.

Da hört die Toleranz mancher Anwohner auf. Frauen, die keine sind, und Männer, die Männer lieben, das ist zu viel. „Eine Schande, unerträglich“.

Nichtsdestotrotz müssen sie sich an ihre schwulen und lesbischen Nachbarn gewöhnen. Denn in den letzten Jahren haben in Chueca auch einige Geschäfte die Homosexuellen als Kunden entdeckt:

Hier gibt es spezielle Buchläden und Deko-Geschäfte ebenso wie Sportstudios und sogar ein „Gay“-Reisebüro.

Liberales Flair

Das Alltagsleben des Viertels geht unterdessen weiter. Die Hausfrauen erledigen ihren Einkauf auf dem Markt, der Nachbarsjunge holt noch eben eine Stange Brot fürs Mittagessen.

Die Arbeiter der Gegend sitzen in ihrem Blaumann beim günstigen Mittagessen in der Cafetería am Platz.

Ab und zu gleitet ein neugieriger Blick durch die Fensterscheiben und ein verunsichertes Grinsen huscht über ihre Gesichter beim Anblick der exo­tischen Gestalten des Platzes. Alltag in Chueca.

Bürgerviertel, Legenden und Ministerien

Das andere Chueca liegt jenseits der Calle Barquillo in Richtung Paseo de Recoletos und hat mit alldem we­nig zu tun. Im 18. Jahrhundert war die Barquillo beliebter Wohnort des Adels und des Bürgertums.

In den 1820er-Jahren ent­wickelte sich hier der Handel mit Pelzen, Schmuck und Antiquitäten.

Die großen Banken der Stadt hatten im Umkreis ihre ersten Filialen. Seitdem sind die Straßen wohlgeordnet und breiter, die Häuser nobler und großstädtischer.

Direkt an der Plaza del Rey steht die sagenumwobene Casa de las siete Chimeneas (19, Haus der sieben Schornsteine).

Das 1578 erbaute Haus wurde 1584–86 um ein Stock­werk erweitert und trägt seitdem auf seinem Dach bis heute die sieben Schornsteine.

Eine Legende erzählt, dass sich Felipe II. bei einem seiner Rundgänge unsterblich in eine Frau verliebte, die er in dieses Haus gehen sah. Der König machte sie zu seiner Gelieb­ten und schickte ihren Ehemann in die Schlacht nach Flandern.

Der Offizier kam dort aus nie ganz geklärten Gründen in den Kämpfen um. Die Geliebte des Königs gebar ein Kind, doch kurze Zeit später starben auch die Mutter und ihr Säugling auf mysteriöse Weise.Viele Madrider wollten seitdem lange Zeit nachts ein durchsichtiges Gespenst wie aus Rauch auf dem Dach zwischen den Schornsteinen gesehen haben.

Als das Haus um die Jahrhundertwende in den Besitz der Banco de Castilla überging, wur­de es von Grund auf renoviert.

Beim Aufreißen des Kellerbodens fand man die Skelettknochen einer Frau und eines Säuglings, neben denen Münzen aus dem 16. Jahrhundert lagen.

Tatsache ist, dass das Haus in den Jah­ren seiner Geschichte so berühmte Bewohner wie den Kriegs- und Finanzminister Esquilache unter Carlos III. hatte.Heute ist in seinen Räumen ein Teil des Kulturministeriums untergebracht. Das immense Gebäude wurde 1970 direkt an das Haus an­gebaut.

Für das Auge ohne Zweifel ein architektonischer Fehlgriff. Dabei wurde auch das Gebäude des Circo Price (Zirkus Price) abgerissen, in dessen Räumen nicht nur Akrobaten auftraten, sondern auch Theater ge­spielt, musiziert und Zarzuelas aufgeführt wurden.

Die heutige Calle Barquillo ist geprägt von unzähligen kleinen Hifi-Läden. Noble Geschäfte allerdings gibt es hier in Chueca immer noch.

Die Straßen de Prim, Piamonte und Almirante gelten heute als die Zen­tren für spanische Mode in Madrid. Alle wichtigen spanischen Designer haben hier ihre Geschäfte, dazu kommen einige der bekanntesten Galerien Madrids.

Zu ihnen gehört die Galerie Juana de Aizpuru in der Calle Barquillo, die als eine der wichtigsten in der Stadt gilt. Dieses Chueca ist avantgardistisch und nobel.

Die mächtige Anlage des Verteidigungsministeriums, das Kulturministerium und schließlich das nördlich liegende Justizministerium geben diesem Gebiet zusätzlich eine großstädtische, politische Note. Chueca ist nicht gleich Chueca.

Sehenswürdigkeiten in Chueca

Museo Romántico

Es liegt im einstigen Palalast des Marquéz de la Valle-Inclán. Das kleine Museum vermittelt einen einblick in die Zeit der Romantik.

Ein Raum ist alleine dem großen Vertreter Mariano José de Larra, gewidmet – inklusive seiner Duellpistole, mit der sich der Schriftsteller und Journalist aus Liebeskummer und politischer Verzweiflung erschoss.

Der Hausherr selbst war Schüler der Real Academia de Bellas Artes de San Fernando und hat romantische Werke des 19. Jh. gesammelt, aber auch Werke der großen spanischen Meister Goya (San Gregorio Magno im Gebetszimmer, Oratorio), und Velázquez.

Auch der Garten lohnt einen Besuch.San Mateo 13. Di–Sa 9–15 Uhr, So und Feiertag 10–14 Uhr.

Casa Palacio de Longoria

Das Eckhaus der Calle Fernando VI und Calle Pelayo ist ein seltenes Beispiel katalanischen Jugendstils in der Stadt. Der 1902 von José Grases Riera, einem Schüler Gaudís, erbaute Casa Palacio dient heute als Sitz des Spanischen Autorenverbandes (Sociedad General de Autores).

Theater Maria Guerrero

Calle de Tamayo y Baus 4, Tel. 91 319 47 69, Metro Banco de España oder Colón. Dieses über 100 Jahre alte Theater hat in Spaniens Theaterszene seinen festen Platz.

Namensgeberin ist die Schauspielerin María Guerrero, die in diesem Theater zusammen mit ihrem Ehemann Fernando Díaz de Mendoza ihr Debüt feierte.

Auf der Bühne sind neben spanischen Klassikern wie Cervantes und Lope de Vega auch Samuel Becket, Shakespeare und Brecht gezeigt.

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