Diebe stehlen ältestes Reisebuch zum Jakobsweg

Aus der Kathedrale von Santiago de Compostela ist der Codex Calixtinus verschwunden. Es ist eines der wichtigsten Dokumente spanischer Kulturgeschichte.

von Tobias Büscher 

Schon am Mittwochnachmittag schlugen Mitarbeiter der Kathedrale Alarm. Das Buch aus dem 12. Jahrhundert ist von unschätzbarem Wert, hat ein Volumen von 225 Blättern und durfte die Kathedrale nur selten zu wissenschaftlichen Untersuchungen verlassen.

Berühren war sowieso verboten. Doch innerhalb des Gotteshauses ist der Schutz offenbar so lax gewesen, dass nun der Dekan im Fokus der Kritik steht.

Internationale Fahndung

Nach Angaben von El País durften lediglich drei Mitarbeiter überhaupt in die Sicherheitskammer, wo das Schriftstück aufbewahrt war. Gestern stellte sich der Dekan José María Diaz den Fragen der Medien und war nicht in der Lage, Details zum Raub zu nennen.

Eine Spur gibt es offiziell noch nicht, die lokale Polizei und internationale Experten sind nun auf der Suche. Im Kreuzgang, der zur Kammer führt, dokumentieren Kameras jeden Winkel, und so ist anzunehmen, dass auch der oder die Diebe aufgenommen worden sind.

Fahnder sichten derzeit hunderte Stunden Aufnahmen auf der Suche nach einem Hinweis.

"Wie ein Einsturz des Pórtico de la Gloria"

Einer der letzten, der den Codex in Augenschein genommen hat, ist der frühere Präsident der Königlichen Galicischen Akademie, Xosé Ramón Barreiro.

Er meint, der Raub sei vergleichbar mit dem Einsturz des wertvollen romanischen Skulptureneingangs hinter dem Haupttor der Kathedrale, dem Pórtico de la Gloria.

Der Codex und die Mythen

Angeblich ist der Codex Calíxtinus als erster Reiseführer mit sogar praktischen Pilgertipps von Papst Calixtus II. (1119-1124) verfasst worden. Er behandelt den Jakobsweg bis zur Hauptstadt der nordwestspanischen Region Galicien.

Er ist sehr gut erhalten und wunderschön bebildert. Doch Historiker zweifeln an der päpstlichen Urheberschaft genauso wie an der Echtheit der Reliquien des Heiligen Jakobus im Silberschrein.

Pilger wie Journalisten haben das wertvolle Pergamentbuch ohnehin nie zu Gesicht bekommen, bestenfalls die gut gemachte Kopie.

Kein Zweifel am Motiv der Tat

Ein Archivmitarbeiter der Kathedrale sagte den spanischen Medien, was viele denken: Wer den Codex gestohlen hat, weiß um den Wert des Buchs genauso wie um den Zugang zu ihm.