Freundschaft, ein Buch von Sebastian Schoepp
Der Autor und frühere SZ-Redakteur Sebastian Schoepp hat ein Buch über die Freundschaft geschrieben. Vorweg schon mal: Erkan taucht darin auf, ein Schlagzeug, ein Mofa, Ansichten von Soziologen und Literaten, ein Disput mit einer Spanierin und ein zugelaufener Kater. Er gibt kluge Antworten auf die komplexe Frage: Was ist echte Freundschaft?
Von Tobias Büscher
Das Buch beginnt mit einer Autofahrt nach dem Abi in Richtung Italien. Und nimmt da schon Fahrt auf. Kurz darauf schaltet der Autor in den Rückwärtsgang und erzählt von Erkan, seinem ersten richtigen Freund. Beide hatten in der Schule in Bayern Migrationshintergrund, bei Sebastian war es ein preußischer. Nach zehn Jahren trennten sich ihre Wege, als Erkan die gemeinsame Band verließ. Doch bei der Recherche zu diesem Buch hat er den einstigen Bassisten noch mal kontaktiert. Nicht nur diese Passage liest sich erfrischend.
Schoepp ist Jahrgang 1964 und hat eine halbe Ewigkeit für die Süddeutschen Zeitung gearbeitet. Er kam kurz vor dem sogenannten „Pillenknick“ zur Welt, in einer Zeit, als Jungs noch nicht am Bildschirm ballerten, sondern im Moor mit Fröschen spielten.
"Wo die Sache über dem Menschen steht"
In seinem Buch spannt er den Bogen von seiner Kindheit bis zur Gegenwart, von Aristoteles bis zur Pandemie. Er bringt seriöse Statistiken und analysiert sie. Schoepp zitiert Literaten, Musiker und Philosophen, für manchen Geschmack vielleicht etwas zu häufig.
Er befasst sich mit historischen und fiktiven Paaren und behandelt die Tücken der Freundschaft: „Die großen Entscheidungen des Lebens werden im Job und in der Familie gefällt“, stellt Schoepp fest und setzt nach: Wenn es zum Streit kommt zu wichtigen Themen wie Impfen, Massentierhaltung und Klimaschutz, dann droht das Ende der Zuneigung: „Wo die Sache über dem Menschen steht, da wird Freundschaft unmöglich.“ Es sind solche Sätze, die das Buch so lesenswert machen.
Und natürlich kommt er auch an Spanien während der Pandemie nicht vorbei, wo die kontaktverliebten Anwohner sehr lange zu Hause bleiben mussten, statt auf Tapa-Tour zu gehen. Dort, schreibt er, war es nach Ausbruch von Corona üblich, dass man seine Geliebte nicht mit Rosen sondern mit dem Müllsack besuchte. Kam die Polizei, war man halt auf dem Weg zum Container.
Schoepp behandelt die Frage, ob sich Freundinnen besser verstehen als Freunde, er befasst sich mit dem Einfluss von Epikur, Erotik und Entfernung. Und in jedem Kapitel fragt sich der Leser: Habe ich eigentlich selber Freunde?
Das ist so gewollt. Und Spaß macht es auch. Als ich meiner Frau davon erzählt habe, waren wir plötzlich so mit unserem Umfeld beschäftigt, dass ich die Sportschau verpasst habe. Die Sportschau!
Schoepp erzählt von seinen Freundschaften so humorvoll und frei von Selbstherrlichkeit wie es einem Juan Moreno nie gelingen würde. Das hier ist kein Egotrip. Es ist ein Buch über die emotionale Befindlichkeit einer ganzen Generation. Einer, die erst zu Kick Inside knutschte und dann vom Virus Outside überrollt wurde.
Geschmack statt Taktik
Schoepp sieht Freundschaft nicht als Taktik, nicht als Networking, nicht als Blumenstrauß voller Erwartungen. Er hält Freundschaft für etwas Anarchisches, das man gleichzeitig pflegen muss, gerade in unserer Zeit. Recht hat er.
Wer dieses Buch liest, denkt zwangsläufig an ähnlich Erlebtes. An den Bauern Voigt, den wir immer mit Kartoffeln beworfen haben, an Gesa, die lieber mit Oli ging. An Puri, die Ex aus Madrid. An Dago, den wuchtigen Mann an der Säge.
Suche ich mir Freunde überhaupt aus, fragt der Autor, oder kommen sie als Mitstreiter im Job, im Elternbeirat oder im Verein einfach dazu? Sind vielleicht nur Kinder in der Lage, wirkliche Freundschaften zu haben? Weil sie nicht taktieren, tricksen und liken wie wir Erwachsenen?
Der Autor lässt den Leser nicht alleine mit solchen Überlegungen. An einer Stelle schreibt er, Freunde erkenne man auch daran, dass das Bier besser schmeckt.
Wenn das stimmt, ist Dago mein Freund. Der an der Säge. Nach seiner Schicht mit ihm ein Bierchen zischen und Jörg Pilawa doof finden: großartig.
Fazit: Das Buch ist gut recherchiert, anschaulich geschrieben und daher sehr empfehlenswert. Nur ein einziger Satz ist wohl nicht vom Autor selbst: der Untertitel "Wie wir gemeinsam wieder zu mehr Leichtigkeit und Lebensfreude finden". Schoepps bietet keine psychosoziale Beratung, sondern ein prima Buch.
Details zum Buch
Titel: Rettet die Freundschaft!
• Verlag: Westend
• 1. Auflage 2022
• Preis 24 Euro
• Seiten: 240
• ISBN-10: 386489364X
• ISBN-13: 978-3864893643