Pilgern in Zeiten von Corona
Der Spiegel widmet seine Titelgeschichte der „Geisterinsel Mallorca“, wo den Kellnern die Kunden fehlen. Doch was ist eigentlich auf dem Lieblingsweg der Pilger los? Dem Jakobsweg? Auch hier gab es früher mal Massentourismus.
Von Tobias Büscher
Sie kommen wieder. Die meisten laufen die 100 km von Sarria nach Santiago de Compostela. Zuletzt hat das Pilgerbüro am Ende des Jakobswegs zwischen 0 und 60 Urkunden pro Tag ausgestellt. Normalerweise sind es über 1000.
Der Camino hat sich verändert. Früher gab es die Angst vor der Pilgerwanze. Heute gibt es die Angst vor dem Virus. Die Kaffeemaschinen in den Bars sind still, die Supermärkte wie ausgestorben. Selbst auf dem Obradoiro-Platz vor der Kathedrale in Santiago de Compostela hört man jetzt schon sein eigenes Echo. Normalerweise stehen dort dicht an dicht Kreuzfahrt-Tagesbesucher neben Langzeitpilgern und fotografieren mit Weitwinkeln die glänzende Fassade. Die Galicier haben sie für das Heilige Jahr 2021 herausgeputzt, wenn der 25. Juli als Tag des Apostels auf einen Sonntag fällt. Gut möglich, dass dann der Papst kommt. Aber wohl kaum 350 000 Pilger wie von den Verantwortlichen der Xunta-Regierung geplant.
Derzeit pilgern ausschließlich Spanier selbst, seit sie ihre Provinzgrenzen wieder übertreten dürfen. Keinen einzigen Ausländer haben sie bislang in Santiago registriert. Das muss auch an der irren Vorstellung liegen, gemeinsam mit anderen in den Herbergen einer erheblichen gesundheitlichen Gefahr ausgesetzt zu sein.
Der Krimi über den Jakobsweg:
Wandern mit eigenem Kugelschreiber
Spanier, die derzeit auf dem Jakobsweg pilgern, können sich vor Ratschlägen kaum retten: Nie in der Gruppe wandern, es sei denn als Familie. Immer vorher bei der Pilgerherberge reservieren, denn die Plätze sind reduziert. Früher war der Pilgerstab und die Jakobsmuschel ein Muss beim Pilgern. Heute sollen sie einen eigenen Kugelschreiber dabei haben, genug Masken, Desinfektionsmittel. Und nicht auf die Idee kommen, in der Gemeinschaftsküche der Herberge mit anderen zu kochen.
Abstandszahlen waren früher 25 und 800. 25 km Tagesetappe, 800 km von den Pyrenäen ans Ende der Welt. Doch nicht nur Mallorca, auch der Camino hat sich verändert. Wer ihn jetzt läuft, vermeidet Kontakte. Und geht buchstäblich auf Abstand. Man ist jetzt nicht mehr einfach mal weg, auf dem Camino.