Mitternachtsspitzen auf Spanisch
Journalist Pedro J. Ramírez
Ein Wandschrank, eine Kamera, eine hilfreiche Dame. Dazu ein konservativer Chefredakteur mit roter Korsage und Damenstrümpfen in eindeutiger Situation. Fertig ist der Skandal. Nicht nur deshalb ist Pedro J. Ramírez wohl der bekannteste Journalist Spaniens.
von Frank A. Hardt
Pedro J. Ramírez (Logroño, 26. März 1952) war bis Januar 2014 Chefredakteur der von ihm 1989 gegründeten spanischen Tageszeitung „El Mundo“ (Die Welt).
Mit einer Auflage von 300.000 Exemplaren schaffte die Zeitung binnen weniger Jahre einen kometenhaften Aufstieg zur zweitstärksten Tageszeitung des Landes.
Entscheidend dazu beigetragen haben nicht zuletzt zahlreiche Enthüllungsgeschichten, die vor allem Skandale der spanischen Sozialisten ans Licht brachten.
Das hat den Konservativen entscheidend beim Wahlsieg 1996 geholfen und Ramirez endgültig zum Feindbild der spanischen Linken gemacht.
Aura des Investigativ-Journalisten
An seinem Arbeitsplatz erschien Ramirez schlicht, einfache Krawatte mit zugeknöpftem Hemd und Hosenträgern. Die kleine Lesebrille hielt er gekonnt lässig in der linken Hand und begutachtet sein Gegenüber mit dem allwissenden Blick des Enthüllers.
Wer es nicht besser weiß, könnte ihn für einen der Reporter halten, die in den Siebziger Jahren Watergate aufdeckten und Richard Nixon zu Fall brachten.
Dieser Eindruck war nicht ungewollt. „El Mundo“ sollte ganz bewusst das Idealbild des investigativen Journalismus verkörpern. Doch es bleibt der Nachgeschmack der konservativen Einseitigkeit.
El Mundo contra El País
Die Mitarbeiter der El País, als auflagestärkste Tageszeitung Spaniens der linksliberale Gegner der „Welt“, sehen das ohne Zweifel genauso. Seit Jahren liefern sich beide Blätter einen erbitterten Kampf in der Öffentlichkeit.
Kurz nach dem Tod des Diktators Franco 1975 erschien die erste Ausgabe der liberalen Zeitung und entwickelte sich zu einem intellektuellen Gewissen im jungen demokratischen Spanien.
Trotzdem wurde sie den Vorwurf, eine Regierungszeitung zu sein, nicht los. Gerade darauf schoss sich auch Pedro Ramirez ein und traf mit den permanenten Attacken gegen die Konkurrenzzeitung einen Nerv in der Leserschaft.
Schlagzeile: Enthüllung der anderen Art
Und dann taucht kurz nach den Wahlen 1996, wie bestellt, die schmuddelige Video-Inszenierung auf, die den Enthüllungsjournalisten ganz unverhüllt der Lächerlichkeit preisgeben soll. Politiker, Juristen, Unternehmer, allen bedeutenden Kreisen der spanischen Gesellschaft wird das Video zugestellt.
Aber die meisten Adressaten schweigen und der Geschädigte geht in die Offensive. Ramirez will mit seiner Zeitung die Hintermänner der Video-Attacke entlarven, und die vermutet er in der sozialistischen Partei des ehemaligen Ministerpräsidenten González.
Er wird aufklären, recherchieren und nachharken. Und die Gegner haben allen Grund seine Hartnäckigkeit und Eitelkeit zu fürchten. Mit diesen Eigenschaften brachte er seine Zeitung nach oben, dort will er sie halten.
Es ist ihm zuzutrauen, diesen Skandal nicht nur zu überstehen, sondern ihn in einen Sieg des investigativen Journalismus zu verwandeln. Pedro J. Ramirez, ein Held in Strumpfhosen. Doch 2014 ersetzte ihn sein Vize García Abadillo, weil die Zeitung finanziell immer mehr in Schieflage geraten war.
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Der Autor:
Frank A. Hardt hat Geschichte und Politikwissenschaft in Köln und Düsseldorf studiert.