Spaniens Medien von Franco bis heute

Spanien hat eine spannende Medienwelt, belegt aber auf der Rangliste der Pressefreiheit nur Platz 35. Chefredakteure großer Zeitungen wie La Vanguardia, El Mundo und El País mussten kurz hintereinander den Posten räumen. Wegen der Krise sind die Redaktionen heute kleiner. Ein Sultan aus Katar hat sich bei dem größten Medienunternehmen namens Prisa eingekauft. Durch die Pandemie sind die Auflagen der Printmedien zwar gestiegen, doch wie bei uns gingen die Werbeeinnahmen drastisch zurück. Heute sind die Printausgaben sogar in Barcelona und Madrid kaum noch erhältlich.

von Tobias Büscher

Die Hände gefesselt, den Mund geknebelt – über Jahrzehnte war der freie Journalismus im franquistischen Spanien zum Schweigen verurteilt. „Die Presse“, so galt die Verordnung aus Zeiten des Bürgerkriegs, „ist ein Werkzeug des Staates, um Schäden zu verhindern, welche eine Presse in der Art demo­kratischen Verständnisses verursa­chen könnte“.

Kein Wunder also, dass sich in den 1970er Jahren das linke Medienunternehmen PRISA gründete, dass heute allerdings viel von der einstigen Strahlkraft verloren hat.

Große überregionale spanische Zeitungen online sind:

El País
El Mundo
La Vanguardia

Große Regionalzeitungen online sind unter anderem:

La Nueva España
La Voz de Galicia

Von der spanischen Zensur zur Pressefreiheit

Die neue Pressefreiheit jedoch, die 1966 lautstark verkündet wurde, war nichts anderes als die Wiederinkraftsetzung jener reglementierenden und konservativen Gesetze, die schon die Zeit vor Franco bestimm­ten. Erstmals erlassen wurden diese bereits einhundert Jahre zuvor (1867), so dass erst mit der demokratischen Verfassung von 1978 europäische Verhältnisse erreicht wurden.

Dessen ungeachtet blieben aber lange Zeit danach noch das gewohnte Misstrauen und der Argwohn gegen die meisten spa­nischen Publikationen erhalten. Jüngs­te Umfragen weisen allerdings darauf hin, dass spanischer Journa­lismus im Urteil seiner Rezipienten durchaus europäische Qualitäts­maß­stäbe erreicht hat.

Spaniens Zeitungen im Überblick

Die rund 120 Tageszeitungen gehö­ren heute vor allem privaten Konzernen. Bezeichnend ist dabei, dass sich die Blättervielfalt auf äußerst wenige Verlagshäuser konzentriert, die immer noch stark mit der Politik- und Finanzwelt verstrickt sind.

So werden etwa 60 Prozent aller Titel von nur drei spanischen Medienkonzernen gehalten: die geschwächte Grupo PRISA mit El País, Unidad Editorial S.A. mit El Mundo und die Grupo Vocento mit ABC.

Nach einer kurzen Zeit ist die linke Tageszeitung El Público eingestellt worden und Ende 2012 durch La Marea ersetzt, die wie die taz auf einer Genossenschaft beruht und ähnlich links-sozial eingestellt ist: mehr

Weiterhin sammeln sich die Pu­blikationen auch in geografischer Hin­sicht: Madrid und Barcelona beherrschen nämlich, gemessen an der Auflage, mehr als die Hälfte der gesamten spanischen Ta­ges­­presse. Darüber sollte die nahezu un­über­schaubare Menge an Titeln nicht hinwegtäu­schen.

Kaum Abos, aber viele Leser

Auffällig bei den spanischen Printmedien sind zwei weitere Besonderheiten: Obwohl die Gesamtverkaufszahlen im Vergleich zu anderen euro­päischen Ländern äußerst gering sind (80 verkaufte Tageszeitungen pro 1000 Ein­wohner), erreichen die Nachrichten dennoch ein Viertel der Bevölkerung. Grund dafür ist die Gewohnheit vieler Spanier, sich die Lektüre zu teilen, sei es auf der Arbeit, zu Hause, in der Bar oder bei anderen Ge­legenheiten.

Sonntags dagegen steigen die Auflagen bei manchen Tageszeitungen um mehr als das Doppelte. Dann nämlich ist Zeit zur ausgiebigen Lektüre, und mit den entsprechenden Beilagen gibt es Lesestoff für die ganze Familie: Wirtschaftsrundschau, Kreuzworträtsel, Comics, Modeseiten, Reiseberichte etc. bieten Unterhaltung rundum. Weiterhin fällt auf, dass bei einer steigen­den Titelflut die Zahl der Leser in den letzten zehn Jahren nur um knappe drei Prozent wuchs; ein Phänomen, das in erster Linie mit einem schlecht funktionierenden Verteilungs­apparat erklärt wird.

Um so erstaun­licher erscheint es, wenn einzelne Kios­ke Madrids neben den gro­ßen Tageszeitungen auch ei­ne gro­ße Auswahl regionaler Blätter führen. So erhält man in Madrid beispielsweise an der Plaza Alonso Martínez/Ecke Calle de Sagasta nahezu alles, was in der spanischen Provinz berichtenswert erscheint: angefangen bei den Fischereiproblemen in Galicien (Voz de Galicia) bis zu den letzten Bauskandalen in Málaga (Sur). Kioskbesitzer Francisco Montoya ist mit Recht stolz auf seine Infor­mationsvielfalt. Der Grund: Viele Arbeitsimmigranten aus den verschiedenen Teilen Spaniens möchten sich über ihre Herkunftsregion möglichst aktuell informieren.

Spaniens Zeitungen und ihre politischen Vorlieben

In die jüngere Zeit fallen einige markante Veränderungen: Zum einen entstand mit Beginn der Demokratie auch eine liberale und leicht progressive Qualitätspresse, die in deutlicher Nähe zur damals sozialistischen Regie­rung den Großteil der traditionell konservativen Blätter aus ihrer führenden Posi­tion ver­drängen konnte.

Als wohl bekanntester Vertreter dieser Gattung hat die der PSOE verbundene El País (Auflage: 560.000) schon 1979 das dem Königshaus nahe ABC (358.000) auf den zweiten Platz verwiesen und mit seiner deut­lichen Stellung gegen die Putschisten vom Februar 1981 auch internationales Ansehen erlangt.

Trotzdem hat sich das konservative ABC bis heute die Gunst seiner Leserschaft sichern können. La Vanguardia  (340.000) der Grupo Godó ist für einen echten Madrilenen freilich indiskutabel – denn sie kommt aus Barcelona.

Der Erfolgskurs von El Mundo

Immer häufiger besonders bei jungen Leuten zu sehen war die erfolgreiche Tageszeitung El Mundo (Anfangsauflage 440.000, heute 41.500)), die kurzerhand der ehemalige Chefredakteur des Diario 16 Pedro J. Ramírez gründete, nachdem er dort gefeuert worden war. Politisch steht El Mundo auf dem Kurs der Partido Popular und Ramírez hat 2014 seinen Stuhl als Chef freigemacht. Er bleibt aber im Hintergrund aktiv.

Als sei der Zeitungsmarkt nicht bereits ge­sättigt, versuchte der italienische Medien­-Tycoon Silvio Berlusconi 1990 mit Sol sein Glück. Allein, der Versuch schlug fehl, und die Zeitung musste wieder eingestellt werden. Dasselbe Schicksal wurde dem libera­len El Independiente zuteil, ebenso wie der ehemals 600.000 Auflage zählenden Tages­zeitung Claro.

Wer sich für die Blätter und Ereignisse vergangener Zeiten interessiert, dem gibt die Hemeroteca Municipal im Cuartel Conde Duque (Nähe Plaza de España) in Madrid reichlich Gelegenheit.

Rund 20.000 Titel spanischer und internationaler Presse, darunter auch die Erstausgabe der Gaceta de Madrid, las­sen längst verstaubte Tagesaktualität wieder zu neuem Leben erwachen. Für einen auf zehn Tage befristeten Leseschein genügt die Vorlage des Personalausweises.

Hola, Diez Minutos, auch Klatsch ist hipp

Der letzte große Wechsel auf dem Markt der Printmedien sticht vor jedem Kiosk ins Auge: Mit nahezu 300 Titeln hat die Klatschpresse (prensa del corazón) einen riesigen Zuwachs verzeichnen können, denn wer lechzt nicht nach den neuesten Histörchen und Skandalen von Schauspielern und Stierkämpfern; und wer ist nicht an der Zahl der Schlafzimmer und Schwimm­bäder im Hause eines sich ansonsten sehr volksnah gebenden Politi­kers interessiert?

Solche und andere speku­lative Geschichten werden in unzäh­ligen Titeln und Variationen angeboten, wobei die Wochenzeitschriften Hola! und Diez Minutos die wohl be­kanntes­ten sind. Natürlich haben auch deutsche Ver­lagshäuser bei diesem Medienrummel kräftig die Hand im Spiel.

Sportnachrichten und Wirtschaft

Für Sportnachrichten kann es dagegen nur zwei Empfehlungen geben: As und Marca informieren jeden Tag ausführlich über die Welt des Sports, wobei selbst jenen Be­gegnungen viel Platz eingeräumt wird, bei denen ­keine spanischen Sportler beteiligt ­waren.

Wer die Preise für Sojamehl an der Börse von Chicago erfahren will, dem stehen gleich mehrere Wege offen, an die Wirtschaftsnachrichten zu kommen: Cinco Días, Expan­sión und die noch junge Gaceta de los Negocios berichten über Daten und Trends der Weltmärkte.

Und was ist los in Madrid? Besonders ausführlich informiert der Guía del Ocio über die neuesten Konzerte, die nächste Vernissage, über Bühnen und Konzerte, Bars und Restaurants und verrät auch, wo man beispielsweise noch nach Mitternacht etwas Warmes zu essen be­kommt. Erhältlich ist das Heft an jedem Kiosk.

Spaniens Magazin Grada

Eine Ausnahmeerscheinung in der spanischen Welt der Medien ist die Zeitschrift Grada. Sie erscheint monatlich unter Leitung des Journalisten José Antonio Lagar und wird in der Stadt Badajoz in einer Auflage von 10.000 Stück produziert. Die Einnahmen fließen in die Arbeit der sozialen Organisation Primera Fila, die Randgruppen im ganzen Land unterstützt, darunter Rollstuhlfahrer und Menschen mit Down Sindrom. Von 2017 bis 2021 war ich Monat für Monat Kolumnist der Zeitschrift. Zustande kam die Arbeit durch ein Interview mit dem Chefredakteur Lagar.

Deutschsprachige Presse trotz Internet in Madrid

Die großen deutschen Tageszeitungen be­kommt man in Madrid noch am selben Tag; schon am frühen Vormittag liegen sie an den Zei­tungskiosken im Zentrum aus. Außer der Frankfurter Allgemeinen, der Süddeutschen und der Welt sind selbstverständlich auch jede Menge Magazine und Illustrierte erhältlich. Doch angesichts der Smartphones sinkt der Verkauf erheblich.

Zeitungsanschriften in Madrid

Allgemeine Tageszeitungen:

•ABC, Juan Ignacio Luca de Tena 7, Tel. 91 339 90 00

•EI Mundo, Calle Pradillo 42, Tel. 91 586 48 00

•EI País, Calle Miguel Yuste 40, Tel. 91 337 82 00

•La Vanguardia (Hauptsitz Barcelona), Calle Marques de Cubas 10, Tel. 91 531 86 85

Radio und Fernsehen in Spanien

Musik, Musik, Musik. Wer die UKW-Leiter der Radios hinauf- oder hinuntersteigt, muss schon Glück haben, wenn er zwischen all dem Dudeln und Jingeln einen etwas seriö­seren Wortbeitrag erwischen will. Dicht an dicht sitzen die Sender, staatliche und private wechseln einander ab, seien es nun die landesweiten oder einer der vielen Lokalsender. Hier die wichtigs­ten:

Radio Nacional de España (RNE, staatlich, mit vier Programmen auf UKW sowie einem Auslandsprogramm auf KW).

•Sociedad Española de Radiodifusión (SER, erster Privatsender und Publikumsrenner mit einer Einschaltquote von über 20 %; wird kontrolliert von der Gruppe PRISA, die auch El País herausgibt und zu deren erfolgreichen Programmen Los 40 Principales, Ra­dio Minuto und Cadena Dial zählen).

•Cadena de Ondas Populares de España (COPE, Eigentum der Katholischen Bi­schofs­konferenz, verfügt über zwei Pro­gramme).

•Antena 3 (einer der jüngeren Privatsender; betreibt auch Radio 80).

Erste Radiosendungen schon 1924

Diese Vielfalt gab es nicht immer. Obwohl die ersten spanischen Sender bereits 1924 in Betrieb genommen wurden, erreichte das Radio bis Mitte der 1930er Jahre nur eine geringe Verbreitung. Endgültig gestoppt wur­de diese zaghafte Entwicklung 1939 mit der Gründung eines Nationalen Spanischen Ra­dios als einzigem Medium, dem Nachrich­ten­sen­dungen erlaubt waren.

Mit einer Zuhörerschaft von ungefähr sie­ben Millionen begann das Radio ab 1975 seinen Triumphzug durch das befreite Spa­nien und erreichte schon nach wenigen Jah­ren eine Verdoppelung des Publikums, denn ebenso wie ein Teil der Presse hat auch der Hörfunk in der Nacht des Staatsstreiches vom 23. Februar 1981 seine Unabhängigkeit und Glaubhaftigkeit unter Beweis stellen können.

Erst mit der Einführung des Privatfernsehens zu Beginn der 1990er Jahre ist das bislang unaufhaltsame Wachstum des Radios empfindlich gebremst worden.Wer einen Fernseher hat, der schaltet ihn schon am frühen Vormittag ein, damit das Gerät bis zum Sendeschluss nicht mehr angefasst werden muss.

So flimmert es in jedem Haushalt und jeder Bar, denn die überwie­gend seichten Fernsehprogramme bieten den idealen Hintergrund für Unterhaltungen jeder Art. Diese Entwicklung, die beim Radio längst abgeschlossen ist, hat das Fernsehen zu einem Nebenbei-Medium degradiert.

Fernsehen: Spielshows und Pay-TV

Ferngesehen im eigentlichen Sinn wird dabei kaum noch. Natürlich gibt es neben US- (die Synchronstimmen sind meist sehr gewöhnungsbedürftig) und südamerikanischen Filmimporten auch Eigenproduktionen, wo­bei Spiel­shows zweifel­los die größten Publikumsrenner sind.

Programmgestaltend war zu­nächst (ab 1956) nur TVE, das staatliche spanische Fernsehen mit inzwischen zwei Kanälen, wobei TVE-1 eher kommerziell ausgerichtet ist und sich an ein Breitenpublikum wendet. La 2 erhielt nach diversen Orientierungs­schwierigkeiten den Cha­­rakter eines Sportkanals, der in der übrigen Zeit für Minderhei­ten­programme vorgesehen ist. Daneben gab es weitere neun Kanäle unter regionaler Verwaltung.

Spaniens Privatsender    

Als Privatsender fungieren antena 3, Tele 5 und sowie der Pay-TV-Sender canal plus. Einen relativ geringen Anteil von ca. 16 % machen die Sender der Comunidades Autónomas aus, wie etwa TV-3 und Canal 33 aus Cataluña, ETB-1 (euskera) und ETB-2 (castellano) aus dem Baskenland, TVG aus Gali­cien, Canal Sur aus Andalusien, Canal 9 aus Valencia oder Telemadrid, natürlich aus Madrid.

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