Spanischer Bürgermeister zensiert Medien

Das hat es in Spanien seit der Francozeit auch noch nicht gegeben. Der Bürgermeister einer Provinzstadt lässt ab sofort keine Pressekonferenzen mehr zu, geschweige denn unliebsame Fragen von Journalisten. Stattdessen beantwortet er jetzt nur noch Fragen, die er sich selber stellt. Oder per Email eingereichte Fan-Fragen. In seinem Rathaus? Ach was: auf seinem Youtube-Kanal.

von Tobias Büscher

Ourense (tob) - Gonzálo Pérez Jácome (*Ourense, 1969) ist sicher einer der kuriosesten Provinzpolitiker der Iberischen Halbinsel. Als Junge flog er zweimal von der Schule, als Erwachsener übte er Treppensteigen auf Zeit und verkaufte Guitarren im Musikladen der Eltern.

Später hob er höchst berlusconisch zwei lokale Fernsehsender aus der Taufe, bei denen sich die Protagonisten schon mal vor laufender Kamera die Kante gaben. 2001 gründete er dann die Partei Democrácia Ourense (DO) - und wurde 20 Jahre später Bürgermeister der Stadt. 

"Sie haben mich alle falsch informiert"

Der Mann sieht Don Quijote nicht ganz unähnlich, nur kämpft er nicht wie der Ritter von der traurigen Gestalt gegen Windmühlen, sondern wie Trump gegen unliebsame Medien. Einst schrieb er unter Pseudonym das Buch "Sie haben mich alle falsch informiert", nun informiert er selbst eben richtig. Die Tageszeitung El País, die ihm schon länger einen trumpistischen Politikstil vorwirft, zitiert ihn so: "Journalisten bringen Fake News, die nicht meine Botschaften sind." 

Die linke Opposition der konservativen Stadt ist empört. Sie wirft ihrem Bürgermeister vor, die Stadt mit ihren schönen umliegenden Weinbergen zum Gespött der Nation zu machen. Jácome kontert das so: "Wäre doch super, wenn das stimmte, dann wäre unsere Stadt wenigstens so richtig berühmt."

Im Internet wird das exzentrische Verhalten des Stadtoberen inzwischen mit aller Häme kommentiert. Ein User schrieb, das sei doch kein Wunder: So seien sie eben, die Galicier da oben im Nordwesten. Da wo es mehr Milchkühe als Menschen gebe. Und ergänzt: "Nicht wundern über diesen Bürgermeister. Diktator Franco war doch auch Galicier." Bürgermeister Jácome war zum Zeitpunkt der Recherche für diesen Artikel für uns natürlich auch nicht zu sprechen. Aus dem Sekretariat hieß es: "Zu beschäftigt".

Galicien hat überwiegend Bürgermeister der Volkspartei

So umstritten der Bürgermeister von Ourense sein mag, er regiert mit Unterstützung der konservativen Volkspartei (PP). Und die stellt in der Region die meisten Bürgermeister. Laut La Voz de Galicia sind es derzeit 146, gefolgt von den Sozialisten mit 96 Posten und den 32 besonders regional orientierten Politikern der Partei BNG, die immerhin das Amt des Bürgermeisters in der Hauptstadt Santiago de Compostela stellen.

Ein weiteres Kuriosum: Die Bürgermeister Galiciens sind traditionell sehr lange im Amt. So beispielsweise der "Alcalde" der zentralsten Gemeinde Galiciens namens Lalín. Der dortige Bürgermeister José Crespo regiert bereits sein halbes Leben lang: seit 30 Jahren. Kuriositäten wie sein vergleichsweise junger Kollege aus Ourense leistet er sich nicht, dafür residiert er in einem kreisrunden Bürgermeisteramt mit sogar runden Aufzügen. Die sollen an die Grundmauern der Kelten erinnern, die einst in dieser Region lebten.

Spanischer Journalistenverband ermahnt Jácome

Noch mal zurück zum Thema annullierte Pressekonferenzen in Ourense. Inzwischen hat sich auch der spanischen Journalistenverband FAPE dazu geäußert, und den Bürgermeister ersucht, sich an die demokratischen Grundregeln zu halten. FAPE beruft sich dabei auf Artikel 20 der Spanischen Verfassung. Darin ist das Recht auf Information aufgeführt. Es sei unerträglich und verfassungswidrig, wenn der Bürgermeister lediglich auf seinem Youtube-Kanal und gegebenenfalls seinem privaten TV-Kanal namens Auria die Bürger informiere.

Reagiert hat Jácome auf diese Vorwürfe noch nicht. Er ist offenbar wirklich zu beschäftigt.

Der Autor

Tobias Büscher ist Journalist und Leiter dieses Portals. Neu erschienen sind von ihm im Jahr 2024 die Reiseführer "Galicien & Jakobsweg, sowie "Bildatlas Nordspanien" im Verlag DuMont.

Lesermeinung

Eigene Fragen beantworten? Cool. Klaus Augenthaler hat das ja als Wolfsburg-Trainer auch mal gemacht.
Oliver B. aus K.