70 Jahre Gastarbeiter aus Spanien

Rund 600.000 Gastarbeiter kamen ab 1955 nach Deutschland. Sie haben die Bundesrepublik mit aufgebaut, doch daran erinnert sich kaum noch jemand. Das ist peinlich. Und was KI dazu ausspuckt, auch.

von Tobias Büscher

Natürlich schreibe ich diesen Kommentar ohne KI. Denn wenn man „Jubiläum 70 Jahre Gastarbeiter aus Spanien“ eingibt, kommt das hier dabei heraus: „Mit der Ankunft der spanischen Gastarbeiter*innen begann ein kultureller Austausch, der bis heute spürbar ist. Flamenco, Paella und andere Facetten der spanischen Kultur sind mittlerweile feste Bestandteile des gesellschaftlichen Lebens in Deutschland.“

Aha. Nun bin ich mir nicht sicher, ob Flamenco wirklich eine Facette ist. Was ich aber sicher weiß: Die Enkel dieser spanischen Arbeitsemigranten, die heute noch in Deutschland leben, wundern sich über eine mäßige Erinnerungskultur. So stellt sich Sarah López im SPIEGEL die Frage, ob wir 70 Jahre Gastarbeitergeschichte feiern. Ihre Antwort: „Ich habe das Gefühl, dass viele diesen Geburtstag nicht in den Kalender eingetragen haben.“ Recht hat sie.

Pepe, arbeite und geh

Bis zur Ölkrise 1973 waren rund 600.000 Spanier nach Deutschland gekommen. Wie Türken und Italiener arbeiteten sie am Baugerüst, in der Schlachthalle, auf Schicht. Für wenig Geld und ohne wirkliche Integration. Es ist kein Wunder, dass sie zurück in ihre Heimat zogen. Schon das Wort „Gastarbeiter“ ist bezeichnend: Bei uns war der Gast nicht König sondern im Kohleschacht.

Anders als die vielen jungen spanischen Ingenieure und Ärzte heute hat die Generation Pepe in der Bundesrepublik kaum Deutsch gelernt und auch gar nicht lernen sollen. 

Nein KI, die spanischen Arbeiter haben auch keine spanische Kultur nach Deutschland gebracht, sondern ihre besten Jahre. Und in Kontakt mit der „spanischen Kultur“ sind wir Deutsche nicht durch Pepe gekommen sondern durch Pauschalurlaub. Pepes Parallelgesellschaft hatte mit Goethe nichts zu tun, wir mit Galván auch nicht. Wir haben uns nie kennen gelernt.

Next Generation, next Ignoration

Es ist schon schräg, wenn auf Webseiten wie meinem eigenen Portal die Frage steht, ob Spanien die Franco-Vergangenheit wirklich je aufgearbeitet hat. Denn für uns war Franco eine Randnotiz, seine Untertanen dagegen von hohem Nutzen.

Vor 70 Jahren kamen die ersten Spanier nicht nur aus Andalusien, sondern auch aus Galicien, wo es keinen Flamenco gibt. Aus der Extremadura, wo kein Reis wächst. Und aus der Region Aragón, die ohnehin keiner kennt. Und eines ist doch klar: Wieso reden alle von Ludwig Erhard? Und keiner von Luis Ernesto?  Ohne die Spanier hätten wir das Wirtschaftswunder so nicht hinbekommen.

Also, Danke Pepe, für Deine jahrelange Arbeit hier in Deutschland. Danke auch dem jungen Arzt Alejandro aus Frechen, der heute hilft, unseren Krankenhausnotstand zu lindern. 

Doch das bekommt ja auch keiner mit.