Sagen, was knallt: lügende Journalisten

Spaniens Medien gelten als nicht sehr zuverlässig. TV-Journalisten kommen je nach Parteizugehörigkeit auf ihre Posten, so mancher Korrespondent soll seinen Posten auf Druck von Politikern verloren haben. Doch so etwas wie beim Spiegel ist in Spanien noch nie passiert. Wohl aber schon bei ZAK, Stern-TV und der Süddeutschen. Sogar bei Schlachtschiffen wie der Washington Post und der New York Times. Hier eine kleine Liste der besten Fälscher jenseits von Claas Relotius.

von Tobias Büscher

Die Spiegelaffäre aus dem Jahr 2018 hat das Kontrollversagen einer journalistischen Institution entlarvt. Heißt es. Wobei die Dokuzentrale in Hamburg insgesamt sicher mindestens so gut arbeitet wie die Konkurrenz.

Reporter Claas Relotius hatte in dem Magazin dennoch preisgekrönte Geschichten veröffentlichen können, darunter über einen syrischen Jungen, den es gar nicht gab. Der Mann reiht sich ein in eine wunderbare Gala kreativer Betrüger.

Da kann sogar die Geschichte des einstigen Chefs der spanischen Zeitung El Mundo nicht mithalten, der erst undercover die ETA interviewte und deshalb seinen Job verlor.

Und der dann die bis heute erfolgreiche Zeitung El Mundo gründete und als deren Chef vom politische Gegner beim Sex gefilmt wurde. Keine Ente. Wirklich wahr.

„Mann setzt Frau in Brand“

Jayson Blair: Die New York Times feuerte ihren dunkelhäutigen Starjournalisten (*1976 in Maryland) am 1. Mai 2003 mit dem Argument: So ein Wahnsinn ist uns in 152 Jahren nicht passiert.

Der Reporter beschäftigte sich vor allem mit Kriegstraumata und einem Hauch Boulevard. 73 Artikel hat die NYT später untersucht. Sogar mit Schlagzeilen wie: „Mann aus Brooklyn setzt Frau in Brand“.

Blair war mit 26 Jahren bereits einer der führenden Männer des Blattes. Er fälschte und erfand in Serie.

Später diagnostizierte man bei ihm eine Bipolare Störung (psychisch bedingte Stimmungsschwankungen). Er selbst dagegen diagnostizierte: „Ich war einfach zu arrogant“.

Kurz nach seinem Rauswurf aus einer der einflussreichsten Tageszeitungen der Welt schrieb er ein Buch über seinen Fall: Burning Down my Masters’ House:

„Good Morning, Los Angeles“

Tom Kummer: Der Journalist aus der Schweiz (*1961 in Bern) hat reihenweise Interviews mit Stars wie Brad Pitt und Sharon Stone veröffentlicht. Vor allem im Jahr 1999. Die allerdings nie stattfanden, wie das Magazin Focus schließlich herausfand.

Er schrieb unter anderem für Tempo und die Süddeutsche. Später nannte er seine Fake-Texte „Borderline-Journalismus“ und veröffentlichte das Buch „Good Morning, Los Angeles. Die tägliche Jagd nach der Wirklichkeit“.

Das Buch ist nur noch im Antiquariat erhältlich. Interviews und Reportagen hat er heute nicht mehr so drauf. Stattdessen veröffentlichte der „notorische Wirklichkeitsfälscher“ (FAZ) unlängst noch einen Roman über sich und seine Frau: Titel: Nina & Tom.

Eine verifizierte Käuferin namens Juliane beschwerte sich auf amazon, das sei alles aufgeblasener Quatsch über Sex und Drogen. Und resümierte: „Nimmt nur Platz im Regal weg“.

Einhörner auf dem Mond

Richard Lock: Es ist der 25. August 1835, als die Leser der New York Sun ihren Augen nicht trauen. Als ein Journalist mit Namen Lock (1800-1871) seine Leser den morgendlichen Kaffee verschütten ließ.

Mit dem möglicherweise ersten echten Science-Fiction-Fake. In dem Blatt veröffentlichte er einen Text unter dem Titel Great Moon Hoaks, wonach es Leben auf dem Mond gebe. Das habe der berühmte Forscher Sir John Henschel entdeckt.

Die Redaktion sorgte umgehend (wie Der Spiegel beim Thema „Jägers Grenze“) für adäquate Illustrationen. Darunter Einhörner mit menschlichen Zügen und schlaksige Flügelfiguren. Sie sind noch heute bei Google Bilder sichtbar.

Übrigens hatte Henschel zu der Zeit nicht den Mond, sondern das Kap der guten Hoffnung untersucht. Und warum ein berühmtes Magazin sich später nicht Mond, sondern Stern nannte (gefälschte Hitler-Tagenbücher), weiß auch keiner so genau.

Kumpel in Kutten

Michael Born: Der berühmteste deutsche TV-Lügner auf zwei Beinen (*1958 in Lahnstein) erreichte wunderbare Einschaltquoten. Mit Fake-Szenen über indischen Kindersklaven und den Ku-Klux-Klan.

Letztere filmte er mit Freunden in Kutten und Kapuzen in der Eifel. Seine „Dokumentationen“ brachten unter anderem Stern-TV und ZAK.

Beim Prozess gegen ihn (Koblenz, 1996) ließen sich 16 der Dokus als Fälschung konkret nachweisen. Heute lebt Born laut SWR als „Olivenbauer und Anarchchist“ in Griechenland. Ob das so stimmt, haben wir NT (not testified).

Jimmy´s World

Janet Cooke: Sie bekam 1981 den Pulitzerpreis für ein Report über einen achtjährigen heroinsüchtigen Jungen, den sie in der anerkannten Zeitung Washington Post (Watergate-Affäre, 1972) veröffentlichte. Titel: Jimmy´s World. Hier der Link zum Originaltext Tenor: Kulleraugen mit Heroinspritze.

Der Chefredakteur war begeistert. Er hatte die gut gekleidete Schwarze schon geraume Zeit zuvor eingestellt, denn das kam gut an im liberalen Washington.

Der Bürgermeister Berry war angesichts des Artikels sogar extrem gerührt. Er ließ den kleinen Jimmy suchen. Gefunden hat ihn allerdings keiner. Ging auch nicht, den gab es ja gar nicht. Cooke gab den Pulitzerpreis zurück. Über den Skandal schrieb Der Spiegel damals wörtlich: Alles eine Erfindung.

Übrigens: Die Zeitungsente ist als Begriff angeblich vom französischen Donner le Canard abgeleitet (Enten geben / lügen). Andere sagen, das komme eben doch eher vom gesprochenen NT: not testified.

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