Quallen in Spanien alarmieren die Behörden

Giftige Gäste an Spaniens Küsten: An den Stränden der südspanischen Region Andalusien ist in diesem Frühjahr eine gefährliche Meeresbewohnerin aufgetaucht: die Portugiesische Galeere. Bereits im März 2025 wurden erste Exemplare dieser hochgiftigen Art an der Costa del Sol, unter anderem an beliebten Urlaubsorten wie Marbella und Fuengirola, gesichtet.

von Alina Brammer

Auch an weiteren Teilen der andalusischen Küste wurden Sichtungen gemeldet. Sowohl an der Mittelmeerküste, beispielsweise vor Almería und an der Küste Granadas, als auch an der Atlantikseite bei Huelva und Lepe und im Mai 2025 sogar auf der Kanareninsel Lanzarote.

Die Baleareninseln bleiben ebenfalls nicht verschont. Auf Ibiza wurde die gefährliche Seeblase in geringer Zahl beobachtet. Auf den Kanaren wiederum, insbesondere auf Teneriffa, war die kleinere Art Physalia utriculus zu sehen, ein naher Verwandter der Atlantik-Galeere.

Zwar handelt es sich bisher nur um vereinzelte Exemplare, doch die Küstenwache und Umweltbehörden sind in erhöhter Alarmbereitschaft. Grund dafür ist die potentielle Gefahr für Badegäste, aber vor allem wegen der Erinnerung an vergangene Jahre.

2024 sorgten auf Mallorca und Mar Menor im Südosten Spaniens Tausende ungefährliche Spiegeleiquallen für Aufsehen. Nun richtet sich die Aufmerksamkeit auf eine wesentlich bedrohlichere Art.

Merkmale der Portugiesischen Qualle

Denn die Portugiesische Galeere ist kein aktiver Schwimmer. Ihr segelförmiger Körper wird vom Wind getrieben. In diesem Jahr wurde sie vermehrt in die Alborán-See, die westlichste Seite des Mittelmeeres getragen, die direkt an die Straße von Gibraltar anschließt.

Eine Kombination aus kräftigen Westwinden, unruhigen Meeresströmungen und Temperaturveränderungen machen somit die natürliche Verbindung zwischen Atlantik und Mittelmeer zu einem “Tor” für viele Meeresorganismen.

Verantwortlich für diese Entwicklung ist eine außergewöhnlich sturmreiche Saison. Gleich mehrere Tiefdrucksysteme, darunter Jana, Konrad, Laurence und zuletzt Martinho, fegten in den letzten Monaten über den Atlantik hinweg.

Die Folge waren massive Regenfälle, starke Winde und ideale Bedingungen, um Hochseebewohner wie die Portugiesische Galeere weit über ihre eigentlichen Lebensräume hinauszutreiben.

Trotz der Häufung der Sichtungen geben Fachleute vorsichtig Entwarnung. Der Meeresbiologe Julio del la Rosa erklärt gegenüber der Zeitung Granada Hoy, dass derzeit kein Schwarm beobachtet werde, sondern lediglich einzelne Exemplare.

Dennoch sei Wachsamkeit geboten. Denn ein Kontakt mit den Tentakeln dieser Art kann für Menschen äußerst schmerzhaft sein und in manchen Fällen medizinische Komplikationen verursachen.

Wie Spaniens Regionen ihre Strände und Lagunen schützen

In der Region Murcia setzen Behörden auf eine ungewöhnliche, aber bewährte Methode, um Badegäste vor Quallen zu schützen, ohne dabei in das empfindliche Gleichgewicht der Natur einzugreifen.

Entlang der Küste des Mar Menor, einer salzhaltigen Lagune im Südosten Spaniens, wartet die Gemeinde auf die Genehmigung, in dieser Saison an rund 60 Stränden spezielle Schutznetze spannen zu können. Diese schwimmenden Barrieren sollen verhindern, dass Quallen in die Badezonen treiben.

Besonders stark gesichert sind Abschnitte in San Pedro del Pinatar und im nördlichen Teil von La Manga, einem schmalen Küstenstreifen zwischen Lagune und Mittelmeer. Hier wurden die Netze unter anderem an beliebten Stränden wie La Puntica und Villananitos installiert.

Nicht zuletzt, weil Anwohner und lokale Behörden immer wieder auf die steigende Zahl der Quallen aufmerksam gemacht haben.

Die Maßnahme ist keineswegs neu. Bereits seit 1997 setzt die Regionalregierung von Murcia auf solche Netze. Der Hintergrund liegt in einem komplexen ökologischen Zusammenspiel. Infolge des gesunkenen Salzgehalts und einer Überdüngung durch Nährstoffe hat sich das biologische Gleichgewicht der Lagune verschoben.

Quallen finden dadurch reichlich Nahrung in Form von Plankton und vermehren sich schneller als früher.

Wissenschaftler warnen jedoch davor, Quallen einfach aus dem Wasser zu fischen oder sie zu bekämpfen. Denn sie erfüllen im Ökosystem eine wichtige Rolle. Als Planktonfresser helfen sie dabei, das biologische Gleichgewicht der Lagune zu regulieren.

Entfernt man sie, kann das schwerwiegende Folgen für das gesamte System haben. Stattdessen setzt die Region auf nicht-extraktive Lösungen, also Maßnahmen, die die Tiere nicht verletzen oder töten.

Murcia ist nicht allein. Auch an anderen spanischen Küsten entstehen kreative Initiativen, die Quallen nicht vernichten, sondern clever fernhalten. Im Mittelpunkt steht die Idee, den Strandbesuch sicher zu gestalten und gleichzeitig das Meer als Lebensraum zu respektieren.

Was dabei herauskommt, ist überraschend modern, gemeinschaftlich gedacht und für viele Urlauber und Einheimische sogar direkt erlebbar.

Aula del Mar: Quallen-Warnung aufs Handy

Was tun, wenn plötzlich eine Portugiesische Galeere vor der Strandliege auftaucht? Die Stiftung Aula del Mar Mediterráneo aus Málaga liefert mit der App Infomedusa eine ziemlich smarte Antwort. Sie zeigt tagesaktuell, an welchen Stränden Quallen gesichtet wurden. Beispielsweise mit Ampelsystem, Warnungen, Tipps und was bei Kontakt zu tun ist.

Entwickelt wurde sie gemeinsam mit Wissenschaftlern und Küstenüberwachen, gestützt auf echte Sichtungen aus der Region. In der Hochsaison kann die App entscheidend dazu beitragen, Badegäste rechtzeitig zu warnen.

Und das Beste ist, jeder kann mithelfen. Wer eine Qualle sieht, meldet sie über die App und wird so Teil eines kollektiven Frühwarnsystems. Für viele klingt das vielleicht nach Spielerei, aber bei einer Art wie der Portugiesischen Galeere kann diese kleine digitale Meldung tatsächlich Leben schützen.

Zudem setzt die Fundación auf Aufklärung, aber nicht von oben herab. Statt mit Schreckensbildern zu arbeiten, erklärt sie, wie Quallen funktionieren, warum sie überhaupt an die Küste kommen und warum Panik völlig fehl am Platz ist. In ihren Infoaktionen und Küstenprojekten zeigt sie: Wer Quallen versteht, kann besser mit ihnen umgehen.

Ein zentrales Ziel der Stiftung ist es, ein feinmaschiges Netz an Sichtungsmeldungen aufzubauen, das nicht nur Behörden, sondern auch Strandbesuchern hilft, Gefahren realistisch einzuschätzen.

Dabei gilt keine Quallenjagd, sondern Respekt und kluges Handeln. Die Stiftung ruft aktiv dazu auf, Sichtungen zu teilen. So wird aus jeder Strandbeobachtung ein kleines Puzzleteil in einem großen Schutzsystem.

Creamar & Marine Protection Network: Ehrenamt mit Strandblick

Zwischen Málaga und Nerja gibt es Gruppen, die regelmäßig Strände abgehen, Quallen zählen und ihre Daten mit Forschern teilen. Das klingt erst mal nach Wissenschaft, ist aber vor allem eins: Gemeinschaftsarbeit.

Das Marine Protection Network und die Creamar- Initiativen laden dazu ein, beim Schutz der Küsten mitzumachen. In Orten wie Mijas oder Rincón de la Victoria melden Freiwillige über ein digitales System, wo Quallen auftauchen.

Die Infos fließen in einen Überwachungsplan, der hilft, Bewegungsmuster zu erkennen und Warnungen auszusprechen, bevor es kritisch wird. Viele dieser Gruppen bestehen aus Anwohnern, Schülern, Tauchern oder einfach Menschen, die ihren Lieblingsstrand schützen wollen. Wer Lust hat, kann sich anschließen und das ganz ohne Vorkenntnisse.

Was bei all diesen Projekten auffällt, sie denken nicht in Einzelaktionen. Ob App, Freiwilligengruppe oder Sichtungskarte, alles dreht sich darum, Quallen nicht dem Zufall zu überlassen. Die Idee dahinter ist ziemlich simpel, aber wirkungsvoll.

Wer weiß, wo gerade eine Galeere oder andere Art von Qualle gesichtet wurde, kann rechtzeitig warnen. Wer mit vielen anderen meldet, sieht schneller als das große Ganze. Es geht nicht ums Wegfischen, sondern ums Vorausdenken und darum, ein gemeinsames Frühwarnsystem großflächig aufzubauen.

Die zwei Hauptakteure: Portugiesische Galeere und Leuchtqualle

Nach all den Apps wird es Zeit, den Blick auf die Wesen selbst zu richten, die jedes Jahr für Nervenkitzel an Spaniens Stränden sorgen. Denn wer denkt, Quallen seien bloß glibberige Badestörer, verpasst die eigentliche Faszination.

Manche von ihnen wirken wie Wesen aus einer anderen Welt – schimmernd, lautlos und wunderschön. Doch können sie blitzschnell zur Gefahr werden. Höchste Zeit, die beiden Hauptakteure genauer kennenzulernen. Den Anfang macht ein echter Star des Meeres. Ein Tier, das aussieht wie ein Kunstwerk, sich aber wie eine Waffe verhält. 

Portugiesische Galeere – Segelndes Spektakel mit Giftladung

Sie gleitet über das Wasser wie ein schillerndes Seeschiff, trägt ein aufgerichtetes “Segel” in Violett-Blau, das im Sonnenlicht fast transparent wirkt. Wer sich von ihrer Schönheit täuschen lässt, spielt mit dem Feuer oder besser gesagt: mit einem biologischen Hochrisikopaket.

Die Portugiesische Galeere, auch Physalia physalis genannt, ist kein einzelnes Tier, sie ist ein Kollektiv. Streng genommen ist sie nicht einmal eine echte Qualle, sondern eine sogenannte Seeblase – ein Kolonialorganismus, der aus mehreren hochspezialisierten Einzelwesen, den Polypen, besteht.

Ihr schwimmender Körper, im Fachjargon Pneumatophor, dient als Segel und Lufttank zugleich. Bis zu 30 cm kann dieser ballonartige Auftriebskörper lang werden. Das eigentliche Grauen hängt aber unter der Oberfläche.

Ihre Tentakeln, die sich wie feine Fäden durch das Wasser ziehen, sind durchschnittlich mehrere Meter lang, in Ausnahmen bis zu 50. Jeder einzelne dieser Fangarme ist gespickt mit Nesselkapseln, die ein hochwirksames Gift abgeben.

Ein Mix aus neurotoxischen, cardiotoxischen und cytotoxischen Komponenten.  Die Wirkung? Brennende Schmerzen, schockartige Reaktionen, im schlimmsten Fall Atemnot oder Kreislaufkollaps. Selbst abgerissene Tentakel bleiben gefährlich. Wer sie an Land barfuß berührt, spürt die Folgen sofort.

Dennoch bleibt sie beides, tödlich und faszinierend. Auf den Azoren bezeichnet man sie als Man-o-war, portugiesische Kriegsqualle. Der Name stammt übrigens aus dem 18. Jahrhundert von ihrer Ähnlichkeit zu alten portugiesischen Kriegsschiffen mit hochgezogenem Bugsegel und auch weil sie im Kampf alles andere als zimperlich ist. 

Ursprünglich im offenen Atlantik beheimatet, ist sie kein ständiger Gast im Mittelmeer. Allerdings treiben einzelne Exemplare jedes Frühjahr über die Straße von Gibraltar bis an Spaniens Südküste. Es braucht keine Schwärme, um für Aufsehen zu sorgen.

Schon ein einziges Exemplar reicht, um einen Badestrand zu räumen. 

Was ihre Ernährung betrifft, ist sie ebenso effektiv wie unheimlich. Kleine Fische und Plankton werden von den Tentakeln betäubt und dann in Richtung der „Verdauungspolypen“ weitergereicht. Das Kollektiv arbeitet wie eine eingespielte Crew.

Trotz ihrer Gefahr steht die Galeere nicht unter Artenschutz. Meeresforscher beobachten sie aber genau. Denn sie gilt als sogenannte Indikatorart, was bedeutet, dass ihre Sichtung auf größere Veränderungen im Ozeansystem hinweisen kann.

Wenn sie also irgendwo gesichtet wird, beginnt das, was wir vorher beschrieben haben. Apps schlagen Alarm, Strände werden gesperrt und speziell geschulte Helfer rücken mit Schutzanzügen an, um tote Tiere zu entfernen. Alles nur wegen dieses wunderschönen, schwebenden Segelwesens, das still über die Wellen gleitet und gefährlicher ist, als es aussieht. 

Leuchtqualle –  Das flackernde Phantom des Mittelmeers

Wer glaubt, dass nur die Portugiesische Galeere Eindruck hinterlässt, hat Pelagia noctiluca noch nicht gesehen oder besser, erspürt. Ihr Name klingt fast poetisch, ist aber biologisch treffend gewählt. Pelagia bedeutet „hohe See“, noctiluca heißt „Nachtleuchter“. Und genau das ist sie.

In klaren Sommernächten kann sie in flachen Buchten plötzlich auftauchen, ihre zarten Körper im Wasser wie glühende Tropfen flimmern lassen, was ein wunderschöner Anblick ist, der allerdings trügt. Denn sie ist nicht nur eine der häufigsten Quallenarten im Mittelmeer, sondern auch eine der aggressivsten, was ihre Nesselzellen betrifft.

Ihr Aussehen ist fast zu zart, um gefährlich zu sein. Ein leicht gewölbter, glockenförmiger Schirm, meist in Rosa-, Lila- oder Kupfertönen schimmernd, durchscheinend wie hauchdünnes Glas. Im Zentrum ein sternförmiges Muster, das sich bei Bewegung wie pulsierendes Licht ausbreitet.

Der Durchmesser kann über 20 cm erreichen. Jedoch erreichen ihre 16 Tentakel bis zu 20 Meter. Diese sind mit tausenden von Nesselzellen versehen, die bei Kontakt direkt zuschnappen.

Was die Leuchtqualle von der Portugiesischen Galeere unterscheidet? Für den Anfang: Sie ist eine echte Qualle. Kein Kolonialorganismus, keine Seeblase, sondern ein klassischer Vertreter der Scyphozoa, also der Schirmquallen.

Während die Galeere passiv vom Wind über die Wellen geschoben wird, kann Pelagia selbstständig durch das offene Meer pulsieren, steigen und sinken, Strömungen ausweichen und ganze Schwärme bilden. Diese sind auch unter dem Namen “Enjambres” bekannt und können sich bei passenden Bedingungen explosionsartig vermehren.

Häufig tritt das im Sommer und Frühherbst auf, wenn das Mittelmeer ruhig und warm ist. In diesen „Quallenblüten” können sich hunderte bis tausende Tiere zusammentun. Getrieben von Wind und Strömung, landen sie schließlich an den Küsten von Andalusien über Katalonien bis zu den Balearen.

2010 häuften sich die Sichtungen, was Meeresbiologen nicht überrascht. Die Leuchtqualle geht als Gewinnerin des Klimawandels hervor. Steigende Wassertemperaturen, überfischte Meere (weniger Fressfeinde wie Schildkröten und Thunfische) und hohe Planktonkonzentrationen sind für sie ideale Gegebenheiten.

Die Leuchtqualle besitzt zudem keine feste Polypenphase. Ihre gesamte Entwicklung, vom Ei über die Larve bis zur erwachsenen Qualle, findet frei im Wasser statt. Das bedeutet, sie braucht keine Küsten oder festen Untergrund, um sich zu vermehren. Alles passiert im offenen Meer, schnell, effektiv und lautlos. 

Was die Symptome nach einem Kontakt betrifft? Meist beginnt es mit einem stechenden Brennen auf der Haut, gefolgt von roten Striemen, die sich wie Kratzer über Arme oder Beine ziehen. In schweren Fällen kommt es zu Hautblasen, Nesselfieber oder sogar systemischen Reaktionen.

Statistisch gesehen ist Pelagia noctiluca für etwa 70 Prozent aller Quallenverletzungen an den spanischen Küsten verantwortlich.

Die Ernährung der Leuchtqualle fällt eher klein aus. Sie filtert feines Plankton, Mikroorganismen und Fischlarven aus dem Wasser mit derselben Entschlossenheit, mit der sie sich vermehrt. Deshalb macht sie das auch so präsent. Sie ist fast überall, wo das Mittelmeer warm, nährstoffreich und ruhig ist.

Vielleicht ist sie nicht so exotisch wie die Portugiesische Galeere, aber im Alltag der Küstenregionen viel realer. Wenn irgendwo Badende mit schmerzverzerrtem Gesicht aus dem Wasser rennen, ist die Leuchtqualle meistens nicht weit.

Davon kann selbst ich sprechen, nachdem mich eine winzig-kleine Pelagia beim Entspannen auf dem Meer erwischt hatte. Obwohl sie klein wirkt, ist sie im Mittelmeerraum die wohl ernstzunehmenste Quallenart wegen ihrer erstaunlichen Widerstandsfähigkeit.

Der Quallenkonflikt an Spaniens Küsten

Kaum tauchen die Quallen auf, schon beginnen auch die Diskussionen. Wer die glitzernde Leuchtqualle oder die majestätische Galeere nur als Naturphänomen betrachtet, hat die politische Sprengkraft hinter ihren Tentakeln unterschätzt. Sie bringen das Interesse zum Kollidieren. Naturschutz ist hier gegen Tourismus und kurzfristiger Komfort gegen langfristige Lösungen. 

Viele der Maßnahmen, die derzeit gegen Quallenplagen getroffen werden, katzen eher an der Oberfläche. Schutznetze, Strandabsperrungen, Reinigungsaktionen, alles sieht nach Kontrolle aus. Aber laut Meeresbiologen wird dabei häufig das größere Gesamtbild übersehen.

Symptombekämpfung statt Ursachenanalyse, heißt es aus der Forschung. Vor allem im Mar Menor, wo Quallen seit Jahren mechanisch entfernt werden, warnen Experten. Was kurzfristig für freie Badezonen sorgt, kann langfristig das ökologische Gleichgewicht weiter kippen. Denn Quallen sind zwar Störenfriede, aber auch Teil der Nahrungskette.

Einige Stimmen fordern daher ein Umdenken. Weg vom ständigen Notfallmodus, hin zu einer „neuen Normalität“, in der Quallen als Spiegel eines angeschlagenen Ökosystems betrachtet werden. Keine neuen Barrieren, mehr Einsatz gegen die eigentlichen Ursachen wie Klimawandel, Überfischung und Umweltverschmutzung.

Nur ein gesunder Ozean könnte langfristig verhindern, dass sich Quallen explosionsartig vermehren. 

Nicht alle sehen das so. In Küstenorten, die vom Sommertourismus leben, klingt quallenfreie Zone nun mal überzeugender als Renaturierung. Das betonte auch Gonzalo López, der im Stadtrat für Küstenangelegenheiten in Cartagena in der Region Murcia sitzt: „Die Küste Cartagenas ist wieder bereit [...] Dank des Einsatzes und der Schnelligkeit unserer Teams konnten wir effektiv auf die Ankunft der Quallen reagieren, und jetzt sehen unsere Strände sauber, gepflegt und sicher aus.“

Die einen wollen zurück zur heilen Küste, die anderen endlich ernsthaft ökologisch handeln, so wie in Murcia. Dabei gäbe es Alternativen, zumindest auf dem Papier. Einige Biologen setzen auf natürliche Gegenspieler, wie zum Beispiel Meeresschildkröten, Mondfische und Thunfische. Allesamt sind Quallenfresser.

Aber ihre Bestände sind gering, viele Arten gelten als bedroht. Es bräuchte Jahrzehnte, um sie zu stabilisieren. Von einem funktionierenden Biopredator-System ist man also weit entfernt. 

Hinzu kommt, dass in Spanien bislang ein einheitlicher Plan fehlt. Zwar gibt es die Kampagne Medusas vom Umweltministerium, doch vieles bleibt lokal geregelt. Ob ein Strand abgesperrt wird, ob gewarnt oder einfach abgewartet wird, das entscheidet die Gemeinde selbst.

Eine nationale Linie ist nicht vorhanden. Andere Länder wie Italien oder Israel sind da weiter. Sie investieren gezielt in Quallenforschung, setzen auf Monitoringzentren und langfristige Datenmodelle. 

Was bleibt, ist ein hochkomplexes Spannungsfeld. Ein Tier, das aussieht wie aus einem Science-Fiction-Film, wird zum Auslöser eines echten Zielkonflikts zwischen wirtschaftlichem Überleben und ökologischer Verantwortung.

Die Frage, die am Ende bleibt, ist vielleicht die unbequemste: Wollen wir wirklich nur die Quallen loswerden oder endlich das System ändern, das sie hervorgebracht hat?

Die Autorin

Alina Brammer ist Mitarbeiterin dieses Portals. Sie schreibt über Geselllschaft, Umwelt und Tierschutz.