Spaniens Gemüseanbau: Der Handel mit der Dürre
Andalusien. Bei den Meisten ploppen da sofort Begriffe wie Sonne, Strand und Urlaub auf. Doch die beliebte Touristenregion in Südspanien steht ebenso für Wasserknappheit, Plastiklandschaften und die Ausbeutung von Tagelöhnern.
Von Kathrin Schlüßler
El Ejido ist eine Mittelmeerstadt am Golf von Almería in der autonomen Provinz Andalusien. Doch wer hier südspanische Urlaubsidylle erwartet, wird schwer enttäuscht. Glas und Plastik unter einer gnadenlosen Sonne dominieren das Landschaftsbild.
Selbst im Winter regnet es so wenig, dass sich die trockenen Pfade zwischen den Gewächshäusern auch auf dem Mond befinden könnten. Staubig und leblos. Und so trocken, dass nicht nur die gelegentlich passierenden Schwarzafrikaner den Eindruck vermitteln, dass dieses dürre Fleckchen Erde schon längst von der Sahara assimiliert wurde.
Tatsächlich ist der schmale Landstrich südlich der Sierra Nevada eine der trockensten Regionen Europas. Die jährliche Niederschlagsmenge beträgt im Durchschnitt 220 mm. Im Vergleich dazu: Köln kommt auf etwa 800 mm im Jahr und der Anbau von Tomaten erfordert etwa 320 mm Niederschlag.
Saftiges Obst aus der Wüste
Schlechte Voraussetzungen für Landwirtschaft? Im Gegenteil! In den künstlichen Welten der Treibhäuser herrschen paradiesische Zustände. Auf etwa 30.000 Hektar Anbaufläche gedeihen Tomaten, Erdbeeren, Melonen und all die anderen wasserreichen Früchte, die wir von den Auslagen unserer Supermärkte kennen.
Und tatsächlich versorgt die trockene Einöde uns wasserverwöhnte Nordeuropäer mit frischem Obst und Gemüse: 70% der Erzeugnisse aus El Ejido werden ins europäische Ausland exportiert; allein Deutschland importierte laut Statistischem Bundesamt 2016 landwirtschaftliche Erzeugnisse aus Spanien im Wert von 3 Mrd. Euro. Tendenz steigend.
Immer tiefere Brunnen ...
Doch unser ganzjähriger Vitaminhunger, unser Verdrängen, dass eine Tomate eigentlich eine saisonale Pflanze ist, hat einen hohen Preis. Nicht für uns. Denn die intensive Bewirtschaftung am Golf von Almería ermöglicht drei bis fünf Ernten pro Jahr, was den Preis im Supermarkt konstant günstig hält. Auch die schlechte Bezahlung der Arbeiter sichert unser Vitamin-Shopping für kleines Geld. Den Preis zahlen andere. Den Preis zahlt die Umwelt.
Seit dem Bau des ersten Gewächshauses in den 1960ern ist der Grundwasserspiegel um 200 m auf über 400 m abgesunken. Die Bauern müssen immer tiefere Brunnen für die Versorgung ihrer Bewässerungsanlagen bohren. Illegale Wasserentnahmen verschärfen die ohnehin kritische Situation.
Eine in Science veröffentlichte Studie malt eine düstere Zukunft für den Mittelmeerraum. Denn für diese Region ist die beschlossene 2°C-Grenze aus dem Pariser Klimavertrag lediglich eine theoretische Zahl und nicht einzuhalten. Es wird wärmer an den mediteranen Küsten. Und noch trockener.
Mit dem beständig sinkenden Grundwasserspiegel verdorren Naturschutzgebiete und damit, ganz pragmatisch gesehen, auch wirtschaftlich wichtige Tourismuszweige. Und das in einer Region, die Eurokrise und EU-Rettungsauflagen schon schmerzhaft zu spüren bekam.
Unser Konsum, euer Wassermangel
Jetzt mag sich manch einer fragen, was wir, 2.000 km entfernt, da schon groß machen können. Die Antwort ist: eine ganze Menge! Denn wir sind Die am Ende der Nahrungskette; die großen Raubtiere, wenn man so will. Die mit dem Geld. Wir wollen Tomaten, Gurken, Paprika das ganze Jahr über.
Im Wahn unserer kulinarischen Weltreise durch Gemüse aus Ländern, in die wir nie ein Fuß setzen werden, haben wir vergessen, was Jahreszeiten sind. Was saisonales Obst ist. Dass winterliche Vegetationspausen dazu da sind, damit sich Böden und Wasserdepots erholen.
Um bei der vielzitierten Tomate zu bleiben: Der Anbau eines einzigen Kilos Tomaten verschlingt 184 Liter Wasser. Dieses sogenannte virtuelle Wasser ist zu einer der wichtigsten Handelswaren geworden. Und wir als Verbraucher haben Einfluss darauf. Darauf, was gehandelt wird; auf Qualität, Preis und Produktionsbedingungen der Waren, die wir kaufen.
Früh-Erdbeeren? Spargel-Bewusstsein!
Nun haben wir das ja alles schon gehört. Doch es ist wichtig, es stetig zu wiederholen. Solche Geschichten geben anonymen globalen Handelswegen ein Gesicht, machen sie persönlich greifbarer. Da lässt einen ein Tankerunglück mit Aufnahmen von Öl-verklebten Tieren die Wahl seines Energieanbieters überdenken. Da vermeidet man zukünftig Klamotten der Billigmarke, weil einem die Bilder der eingestürzten Fabrik in Bangladesch nicht aus dem Kopf gehen. Und da ist einem die regionale Milch die 20 Cent mehr wert.
Warum müssen wir im Dezember Erdbeeren essen? Wer einmal an einem Nachmittag im August in Omas Garten eine saftige Erdbeere stibitzt hat, kann mit ihren faden winterlichen Verwandten sowieso nichts anfangen. Beim Spargel funktioniert das doch auch. Für das deutscheste unter den Gemüsesorten gibt es strenge Erntezeiten und wer nach dem Johannistag am 24. Juni noch beim Kaufen oder Essen erwischt wird, riskiert gesellschaftliche Ächtung.
Den Kapitalismus nun in vollem Ausmaß zu verdammen, hilft nicht. Es lässt sich nicht bestreiten, dass die Landwirtschaft in Südspanien neben der Tourismusbranche der wichtigste Wirtschaftssektor ist. Allein in El Ejido leben 40.000 Menschen vom Gemüseanbau. Dabei ist die Produktion sehr effektiv: kleine Fläche mit großem Output. Damit das auch in Zukunft so bleiben kann, muss das Umdenken schleunigst einsetzen. Im eigenen Interesse müssen Bauern den nachhaltigen Umgang mit ihrer wichtigsten Ressource Wasser verinnerlichen. Und wir müssen uns der globalen Verknüpfung und unserer Verantwortung bewusst werden. Wir als Verbraucher haben die Macht, Konzerne zu Nachhaltigkeit zu zwingen. Sonst kaufen wir nicht mehr.
Die Autorin
Kathrin Schlüßler ist frisch gebackene Online-Redakteurin. Ihr Background als Diplom-Naturwissenschaftlerin ist so breit gefächert und interdisziplinär wie ihr Interessenspektrum. Themen wie Nachhaltigkeit und Verantwortung liegen ihr besonders am Herzen. Die ein oder andere politische Glosse ist ihrem frechen Mundwerk geschuldet.