100 Jahre Metro Madrid
Am 17. Oktober 1919 nahm König Alfonso XIII an der Jungfernfahrt der Metro von Madrid teil. Der Bau der Linie 1 dauerte zwei Jahre und die einst hochmodernen Wagen fuhren von der Puerta del Sol knapp 3,48 km nach Norden bis zum Platz Cuatro Caminos. Ein riesen Ereignis damals. Mit so einigen Kuriositäten ...
Von Tobias Büscher
Monarchen fahren selten Metro. Schon gar nicht Alfonso XIII (1886-1941). Der ließ sich gerne bei der Jagd ablichten in der Sierra de Gredos, östlich von Madrid. Hoch zu Ross. Doch am 17. Oktober 1919 ging es abwärts in einen Schacht. Seine Majestät fuhr mit der ersten Metro Spaniens. Und sah sich dem Blitzgewitter der Medien ausgesetzt. Unterirdisch war das für Hochwürden.
Die reine Fahrtzeit betrug damals 8 Minuten und kostete 15. Cent, etwa so viel wie drei Briefmarken. Der Wagen war keine Dampfmaschine mehr, wie sie in London zum Einsatz kam. Sondern ein elektroangetriebener MR6 (Modell Cuatro Camino), knapp 12 Meter lang und gedacht für je 100 Personen.
Die Madrilenen tanzten nach der Eröffnung auf den Straßen, obwohl die Fahrt nicht gerade leise war. Allein im ersten Jahr nach der Gründung verzeichnete die Metro rund 14 Millionen Fahrgäste.
Doch auch der MR6 war einer, der nach jahrzehntelangem Gebrauch irgendwann auf der Halde verstaubte, mit Graffiti vollgeschmiert und verwahrlost. Selbst die Bremsen hatte jemand geklaut.
Zum 100jährigen Jubiläum sind zehn der damaligen MR6 für eine Ausstellung wieder in Schuss gebracht. Damals schafften die MR6 übrigens maximal 50 km/h. Heute bringen die Maschinen der Serie 9000 mehr als das Doppelte auf die Gleise, auch weil diese viel breiter geworden sind.
Platz 9 der größten Metros der Welt
Große Metropolen brauchen raffinierte Metros, sonst klappt es nicht mit dem Verkehr. Und so ist es kein Wunder: Peking und Shanghai haben laut ingenieur.de die größten U-Bahn-Netze, gefolgt von London, New York, Moskau, Seoul, Guangzhou und Tokio. Und gleich danach folgt Madrid.
Der Grund: Die einstige U-Bahn musste wegen der erheblichen Landflucht seit 1980 deutlich wachsen und vor allem die südlichen Arbeitervororte verbinden. Schon 1998 weihte König Juan Carlos die Verbindung zum Flughafen Barajas ein. Und 2007 entstand die Linie zur Vorstadt San Fernando de Henares.
Wo der Bürgermeister übrigens als erster Ampelpärchen statt Ampelmännchen an Übergängen anbringen ließ. Noch vor Madrids Bürgermeisterin Manuela Carmela.
Zu viele Kutschen und Straßenbahnen
Mobil waren die Madrilenen schon lange vor der ersten Metro. Bereits 1878 fuhren auf der Puerta del Sol sehr viele Dampfstraßenbahnen und Pferdekutschen. Der Verkehr auf Madrids zentralstem Platz kollabierte fast. Eine U-Bahn musste her, wie es sie seit 1863 in London gab und seit 1902 in Berlin. 1919 sorgte die Compañía Metropolitana Alfonso XIII für den Bau der ersten Linie.
Die Kosten lagen bei 8 Millionen Peseten, die angeblich jeweils zur Hälfte die Vizcaya-Bank und Alfonso investierten. Spanien hatte also seine erste Metro, gefolgt von denen in Barcelona und Valencia. Es gibt aber auch echte Nachzügler. Palma de Mallorca richtete erst 2007 eine Metro ein, Málaga erst 2014.
Aus Metropolitana wird Metro
Aus dem Wort Metropolitana leitete sich auch der Name Metro ab. Verantwortlich waren damals in Madrid die Bauingenieure Carlos Mendoza, Miguel Otamendi und Antonio González. Die U-Bahn-Stationen und Eingänge entwarf der galicische Architekt Antonio Palacios Ramil, aus dessen Feder auch das Hauptpostamt Cibeles stammt, das heutige Rathaus.
Und weil beim U-Bahn-Bau London ihr Vorbild war, haben die Wagons bis heute Linksverkehr. Andere behaupten, das liege an der Gemahlin von König Alfonso. Victoria Eugenia de Battenberg war gebürtige Engländerin.
Jubiläumsbaustelle Gran Vía
Schnell kamen weitere Linien dazu. Dabei war die Metro Zeugin dramatischer Zeiten. Im Spanischen Bürgerkrieg, als der König längst im Exil in Rom war, verschanzten sich hier die Bewohner in der neuen Linie 3 vor den Bomben. Und je nach Herrschaft änderten sich auch die Namen.
Aus der Königs-Firma wurde die Compañía Metropolitana de Madrid. Die Metrostation Gran Vía hieß vorübergehend nach dem Franquisten José Antonio. Heute heißt sie wieder Gran Vía und wird zum Jubiläum gründlich erweitert und modernisiert. So ist eine der wichtigsten Metroknotenpunkte in Madrid das ganze Jahr 2018 über nicht nutzbar.
Horrorbilder und Traumpreise
Die Metrostationen haben ganz unterschiedliche Namen. Manche heißen nach Adeligen wie dem Graf Conde de Casal, andere nach Städten wie Cusco und Bilbao und wieder andere nach Künstlern wie Goya (1746-1828) an der Kreuzung Linie 2 und 4.
In dieser Station sind viele Bilder des wohl besten Malers Spaniens sichtbar, vor allem seine Horrorgemälde aus der Serie Pintura Negra.
Alfonso hätte sich nicht träumen lassen, wie sich sein damaliges Lieblingsprojekt entwickeln sollte. Inzwischen ist die Madrider Metro 320 km lang, hat 289 Stationen und über 600 Millionen Fahrgäste pro Jahr, die ausschließlich mit einer aufladbaren Plastikkarte unterwegs sind und für die Fahrten über eine Milliarde Euro ausgeben.
Wobei sie erheblich weniger zahlen als beispielsweise die Bewohner Kölns: Kurzstrecke 1.50 Euro statt 1.90 Euro in der Domstadt.
Die Gleise der Geister
Und sogar einen kleinen Geisterbahnhof hat die Metro heute. Der mit Namen Chamberí. Warum? Immer mehr Bewohner in Madrid bedeutete auch immer längere Waggons.
Daher mussten die Bauarbeiter 1966 alle Stationen von 60 auf 90 Meter verlängern. In Chamberí ging das aber nicht, und so stand die Station fortan verlassen da.
Wer mit der Metro 1 von Iglesia nach Bilbao fuhr, drückte die Nase ans Fenster, als wäre er auf einer Zeitreise. Denn auf dem Boden der stillgelegten Station lagen alte Tabak-Schachteln, an den Wänden war noch die Kachelwerbung für Glühbirnen zu sehen und auf den Eisenbänken lagen alte Ausgaben der Zeitung El País.
Der leicht schaurige Ort ist inzwischen bekannt als Andén 0 (Bahnsteig 0) und beherbergt ein Metro-Museum, das in einem Zusatzbereich auch alte Metromotoren zeigt (Nave de Motores de Pacífico).
Eingang an der Plaza Chamberí, nur mit Führungen jeweils zur vollen Stunde zu besichtigen (gratis): Fr 16-20, Sa 10-14, 16-20, So 10-14 Uhr.
Im Metroschacht: Alfonso öffnet die Augen
Weil das 100 Jährige Jubiläum ansteht, hat Spaniens heutiger König Felipe übrigens schon in der Metro Platz genommen. Inklusive Pressefoto, selbstverständlich mit geöffneten Augen.
Seine Gemahlin Letizia ist schließlich gelernte TV-Journalistin. Seinem Urgroßvater Alfonso ging es vor 100 Jahren aber etwas anders, siehe Bild oben.
Der Monarch kniff in dem muffigen Tunnel wegen des Blitzlichts die Augen zu. So war das Bild nicht verwendbar, hat ein Journalist von ABC recherchiert. Und was geschah?
Das Foto haben sie bei Hof bearbeiten müssen, bis die Augen wieder offen waren. Etwas zu offen. Erst danach ging das Foto an die Presse. Und ist noch heute als Bild auf der Homepage der Madrider Metro eingestellt.