Päpste: Spanien und der Vatikan

Mit dem Tod von Papst Franziskus schließt sich ein historisches Kapitel, das von Reformen und Menschlichkeit geprägt war. Doch im Hintergrund formten einst Spaniens Könige, mächtige Kardinäle und die berüchtigte Familie Borgia das Papsttum. Zwischen Skandalen und Heiligkeit wirft nun die katholische Kirche einen neuen Blick auf das Spiel um den Stuhl Petri – und Spaniens Spuren sind mittendrin. Vor allem geprägt durch den Valencianer Alexander VI, der im legendären Jahr 1492 seine Arbeit begann.

von Alina Brammer

Die Nachricht von seinem Tod des Papstes Franziskus bewegte auch Spanien. Die dortige Regierung rief drei Tage Staatstrauer aus. Félix Bolaños, Minister für Präsidentschaft, Justiz und Beziehungen zum Parlament, erklärte dazu:

„Im Namen des Präsidenten und der Regierung Spaniens drücken wir unser tiefstes Beileid zum Tod von Papst Franziskus aus.”

Obwohl Franziskus Spanien nie offiziell besuchte, pflegte er enge Beziehungen zur spanischen Kirche. Durch die Worte Bolaños wird deutlich, welche Verbindung Franziskus zu diesem Land hatte: „Ich habe die Ehre gehabt, seine Nähe, seine Freundlichkeit, seine Werte und seine Zuneigung zu Spanien zu erfahren. Franziskus war ein guter Mann und ein großartiger Papst.“

Neben der Ernennung mehrerer spanischer Bischöfe zeigte er auch politisches und gesellschaftliches Feingefühl. 2021 nahm Franziskus einen 385-seitigen Bericht über sexuellen Missbrauch in der spanischen Kirche entgegen und leitete diesen an die Glaubenskongregation weiter.

Sein Einsatz für soziale Gerechtigkeit war global, aber auch lokal spürbar. Von der Forderung nach einem universellen Mindestlohn bis zum Schuldenerlass in armen Ländern. 

Gab es einen Papst aus Spanien?

Doch wie verlief so eine Wahl in früheren Zeiten? Welche Kräfte entschieden damals, wer Papst wurde und mit welchen Mitteln? Das Papsttum, wie wir es heute kennen – weltoffen, sozial engagiert, nah an den Menschen – war nicht immer so.

Es ist das Ergebnis eines langen Weges, geprägt von Intrigen, politischen Allianzen und dunklen Epochen. Gerade Spanien, das heute mit Respekt und Trauer Abschied nimmt, war damals selbst mitten im Zentrum der Macht. 

Da stellt sich die Frage: Gab es einen Papst aus Spanien? Ja, und nicht irgendeinen. Sein Name: Alexander VI., valencianischer Herkunft und ein Mann, dessen Regentschaft voller Glanz und Skandale war.

Wer war er, wie kam er an die Spitze der Kirche und warum gilt die Regentschaft des auf italinisch heißenden Papa Alessandro VI als eine der umstrittensten in den Legenden des Papsttums?

Spaniens Rolle im Papsttum

Um dies zu verstehen, zunächst ein Blick zurück auf die Ursprünge des Papsttums:

Im Schatten des römischen Imperiums, irgendwo zwischen den Marmorsäulen und Tempeln, formt sich im 1. Jahrhundert n. Chr. die Idee des Papsttums. Noch ohne Krone, ohne weltliche Macht. Nur eine spirituelle Stimme im frühen Christentum.

Erst mit der Konstantinischen Wende im 4. Jahrhundert wurde das christliche Glaubenssystem zur Staatsreligion erhoben. Fortan begann der Bischof von Rom das politische Weltgeschehen mitzugestalten. 

Obwohl das Papsttum seinen Ursprung in Rom hat, ist Spanien ein Bollwerk des Katholizismus, Geburtsland mächtiger Kardinäle und Heimat einer Monarchie, das über eine lange Ära hinweg die Geschicke der Kirche mitbestimmte.

Die Katholischen Könige, allen voran Ferdinand und Isabella, festigten nicht nur die Einheit der Iberischen Halbinsel, sondern auch ihre Stellung als Verteidiger des Glaubens.

Mit dem „Patronato Real”  sicherten sie sich das Recht, kirchliche Ämter zu vergeben und Missionare in die Neue Welt zu entsenden.

Diese enge Verflechtung von Krone und Kirche verlieh Spanien eine beispiellose Autorität, selbst in den heiligen Hallen Roms.

Ein markantes Beispiel hierfür ist Spaniens Einfluss auf dem Konzil von Trient (1545-1563), wo spanische Theologen und Bischöfe maßgeblich an der Formulierung der Gegenreformation beteiligt waren, die darauf abzielte, der protestantischen Bewegung Einhalt zu gebieten.

Spanien räumte darüber hinaus eigene kirchliche Sonderrechte ein, was deutlich wird anhand der kleinen kastilischen Gemeinde Meco, die übrigens nicht wie oft behauptet den kürzesten Ortsnamen des Landes hat (kürzer sind Pu in Katalonien, Ei in Asturien und Ui im Baskenland)

Dank einer päpstlichen Bulle dürfen ihre Bewohner nahe der Hauptstadt Madrid bis heute während der Fastenzeit Fleisch verzehren. Ein Relikt, das tief in die kirchliche Vergangenheit Spaniens hineinreicht.

Doch das eigentliche Zentrum der Macht lag in der Entscheidung: Wer darf die Kirche überhaupt anführen? 

Im Spätmittelalter, als Spaniens Monarchen längst zu Taktgebern der katholischen Welt aufgestiegen waren und ihre Einflusszonen festigten, herrschte in Rom ein undurchsichtiges Spiel aus Geduld, Einfluss und politischen Machenschaften.

Papstwahlen zogen sich manchmal über Jahre, blockiert von rivalisierenden Kardinälen und den Interessen Europas. Als nach dem Tod von Clemens IV. im Jahr 1268 drei Jahre lang kein Nachfolger gefunden wurde, verloren die Bürger von Viterbo die Geduld.

Sie sperrten die Kardinäle ein, rissen das Dach ihres Versammlungsortes ab und beschränkten ihre Mahlzeiten auf Wasser und Brot.

Dieses erzwungene Ende eines lähmenden Machtkampfes legte den Grundstein für das Konklave – den „Einschluss unter Schlüssel”.

1274 goss Papst Gregor X. diesen Zwang zur Einigung in festes Regelwerk. Von nun an wurden die Kardinäle unter Verschluss gesetzt, bis weißer Rauch den neuen Papst verkündete, zumindest in der Theorie.

Denn auch Spaniens Hände hielten die Seile des Konklaves fest umschlungen. 1492, das Jahr, in dem Kolumbus neue Welten für Spanien entdeckte, sicherte sich Rodrigo Borgia aus Valencia seinen Platz an der Spitze der Kirche.

Das Konklave war längst institutionalisiert, doch Borgia verstand es meisterhaft, seine Schlupflöcher zu nutzen. Stimmen wurden mit Versprechen erkauft, Ämter feilgeboten. 

Der weiße Rauch hätte damals auch den Duft von Gold tragen können 

Als Neffe von Papst Calixtus III. profitierte Rodrigo de Borja y Doms (geboren 1431 in Xátiva, Valencia) früh von familiären Verbindungen zur römischen Kurie. Bereits sein juristisches Studium an der Universität Bologna legte den Grundstein für eine steile Karriere innerhalb der Kirche.

Mit politischem Geschick und strategischen Allianzen stieg er sogar zum Vizekanzler der Kirche auf. Eine Position, die er über Jahrzehnte innehatte.

Trotz seiner spanischen Herkunft, in einer Zeit, in der italienische Familien die Führungskreise des Vatikans dominierten, gelang es ihm, sich in den innersten Machtzirkeln Roms zu etablieren.

Die Macht der Familie Borgia

Rodrigo Borgia nutzte zum Beispiel seine Position, um seine ganze Familie in Schlüsselpositionen zu hieven. Sein Sohn Cesare Borgia, zunächst Kardinal, wurde später zum berüchtigten Condottiere, der mit militärischer Gewalt die päpstlichen Staaten erweiterte.

Lucrezia Borgia, seine Tochter, wurde durch strategische Ehen zum politischen Werkzeug der Familie. Die Borgias schmiedeten Allianzen, führten Intrigen und nutzten jede Gelegenheit, ihre Macht zu festigen. Ihre Methoden waren so umstritten wie effektiv.

Sie prägten eine ganze Epoche, in der Kirche und Politik untrennbar miteinander verwoben waren.

Nach dem Tod von Papst Innozenz VIII. im Jahr 1492 trat das Konklave zusammen, um einen neuen Papst zu wählen. Rodrigo Borgia war einer der Kandidaten. Obwohl er zunächst nicht als Favorit galt, gelang es ihm, durch geschickte Allianzen und Versprechen, insbesondere an Kardinal Ascanio Sforza, die notwendige Unterstützung zu gewinnen.

Am 11. August 1492 wurde er zum Papst gewählt und nahm den Namen Alexander VI. an.

Alexander VI. wurde oft für seinen Nepotismus kritisiert. Die Bevorzugung seiner Familie bei der Vergabe von Ämtern war offensichtlich. Das bestätigte unserem Spanienmagazin auch Dr. Miguel Navarro Sorní, Historiker und Priester der Diözese Valencia, der sich größtenteils in seinen Forschungen mit der Familie Borgia beschäftigte.

Er betont, dass der „valencianisch-spanische Nepotismus” der Borgias als Strategie diente, um „das eigene Machtgefüge zu sichern, da sie nicht Teil der großen italienischen Adelsfamilien wie den Orsini oder Colonna waren.”

Zudem nutzte Alexander VI. das Bündnis mit den Katholischen Königen für seine eigenen Zwecke: „um seine Familie in Valencia als Herzöge von Gandía zu etablieren“, so Navarro Sorní.

Alexander VI: Blonde Maitressen? Die ganze Welt

Man warf Alexander VI. auch Simonie vor, den Verkauf kirchlicher Ämter sowie moralische Verfehlungen. Dennoch erkannte man seine administrativen Fähigkeiten an.

Er stärkte die päpstliche Verwaltung und setzte sich für die Expansion der Kirche ein. Besonders bei der Absicherung der spanischen Ansprüche auf die Neue Welt spielte Alexander VI. eine Schlüsselrolle.

Dr. Miguel Navarro Sorní schreibt: „Alexander VI.  bestätigte mit den berühmten Bullen Inter caetera die Rechte der spanischen Krone über die entdeckten Gebiete.”

Tordesillas, ein kleines Nest in Kastilien, ist entsprechend nicht nur wegen Johanna der Wahnsinnigen berühmt, sondern auch wegen dem Vertrag von Tordesillas, in dem Alexander mit den Katholischen Königen Isabella und Fernando und den Portugiesen 1494 die Welt unter sich aufteilten, vor allem das heutige Lateinamerika.

Nichtsdestotrotz wurde sein Pontifikat zum Synonym für Korruption, Machtgier und moralischen Verfall. Noch heute ranken sich Legenden um Alexander VI., darunter das hartnäckige Gerücht, er habe ausschließlich blonde Mätresse bevorzugt.

Ein Bild, das sich gleichermaßen aus Tatsachen und Schwarzmalerei speist. Dass ein Papst Geliebte hatte, war an sich schon skandalös. Dass er diesen Ruf kultivierte, machte ihn zur Symbolfigur einer moralisch entgleisten Epoche. 

Von Petrus bis Franziskus: Spanische Päpste in der Minderheit

In der langen Geschichte des Papsttums sind spanische Päpste eine Seltenheit geblieben. Calixtus III., Onkel von Alexander VI., amtierte von 1455 bis 1458 und setzte sich vehement für einen Kreuzzug gegen die Osmanen ein.

Ihm wird nachgesagt, er habe die Hinrichtung von Jeanne d'Arc posthum verurteilt. Eine symbolische Geste, um die Ehre Frankreichs wiederherzustellen und den Schaden für die Kirche zu begrenzen.

Ein Jahrhundert zuvor prägte Damasus I. seine Zeit. Er wirkte an der Festlegung des biblischen Kanons mit und schuf damit den Grundstein für die christliche Lehre. Benedikt XIII., besser bekannt als „Papa Luna” – eine Mischung aus seinem Papsttitel und Nachnamen – war ein Gegenpapst während des Abendländischen Schismas.

Trotz seiner Absetzung durch das Konzil von Konstanz gab er seinen Anspruch auf das Papstamt nicht auf und residierte bis zu seinem Tod in Peñíscola. Die Küstenstadt in der heutigen Region Valencia bot ihm Schutz und Unabhängigkeit. Damals war diese Festung am Meer schwer einzunehmen.

Es gehörte zum Königreich Aragón, das ihn weiterhin als legitimen Papst anerkannte. Dort hatte Benedikt XIII. seine kleine Kurie, eine Art Mini-Vatikan, obwohl der Rest der Kirche ihn längst  abgesetzt hatte.

Diese Episoden zeigen, dass Spaniens Einfluss auf den Stuhl Petri –  den symbolischen Sitz des Apostels Petrus, des ersten Bischofs von Rom – zwar sporadisch, aber nie unbedeutend war. Sie wurden stets von politischen Spannungen, theologischen Entscheidungen und persönlichen Legenden begleitet. 

Nach den Borgias steigt Spaniens Einfluss auf den Vatikan

Nach dem Niedergang der Borgias (1503/1507) blieb die Katholische Kirche in Spanien ein zentraler Machtfaktor. Mal als moralische Instanz und mal als politischer Akteur. Während der Reconquista, also der Rückeroberung der maurisch besetzten Gebiete in Südspanien, marschierten Kreuz und Schwert Seite an Seite. Sybolfigur dabei: Apostel Jakob als matamoros, als "Maurentöter".

Die Kirche legitimierte die Rückeroberung maurischer Gebiete in Südspanien (Reconquista) und erhielt im Gegenzug Ländereien und Einfluss. Mit der Inquisition, die bereits 1478 unter den Katholischen Königen eingeführt wurde, wurde die Kirche zur Richterin über Glauben und Gewissen.

In der Kolonialzeit segnete sie die Expansion in Amerika ab und entsandte Missionare, die nicht nur den Glauben, sondern auch die Macht Spaniens verbreiteten. Im 20. Jahrhundert verband sich die Kirche eng mit dem Franco-Regime.

Sie unterstützte den Putsch gegen die Republik, rechtfertigte den Bürgerkrieg als „Kreuzzug“ gegen den Kommunismus und erhielt dafür Privilegien und Einfluss. Diese Nähe zur Diktatur führte später zu einer Entfremdung vieler Spanier von der Institution.

Die fragile Zukunft der Kirche

Heute erlebt Spanien eine zunehmende Säkularisierung – die Trennung von Kirche und Staat sowie den Bedeutungsverlust religiöser Normen im Alltag. Die Zahl der Gläubigen sinkt, besonders in Regionen wie Katalonien und im Baskenland, wo der Wunsch nach Unabhängigkeit und eine kritische Haltung gegenüber zentralen Institutionen wie der Kirche ausgeprägter sind. 

Laut einer Umfrage des spanischen Meinungsforschungsinstituts CIS von 2024, identifiziere sich nur noch rund 40 Prozent der Spanier als religiös oder spirituell, während die Zahl der Nicht-Gläubigen stetig steigt.

Missbrauchsskandale, Forderungen nach Gleichberechtigung für Frauen und die anhaltende Debatte über die Trennung von Kirche und Staat sind Teil davon.

Diese Themen erinnern an vergangene Machtspiele und zeigen, dass die Geschichte der Borgias in gewisser Weise immer noch am Papsttum haftet. Doch die Bemühungen der Kirche bringen zunehmend Transparenz und Reformen hervor, um das Vertrauen der Gläubigen zurückzugewinnen.

So tat es auch Papst Franziskus. Er war ein Papst, der nicht von oben herab sprach. Er mischte sich unter das Volk, teilte ihre Sorgen und gab ihnen Hoffnung.

In seiner letzten öffentlichen Ansprache rief er dazu auf, „die Hoffnung neu zu entfachen und unser Vertrauen in andere zu erneuern, auch in jene, die anders sind als wir”.

Seine Worte und Taten zeugten von einem tiefen Mitgefühl und dem festen Willen, die Kirche näher an die Menschen zu bringen. Papst Franziskus bleibt in unseren Herzen – als ein Pontifex, der Brücken baute, statt Mauern zu errichten. Er lehrte uns, dass wahre Größe in der Demut liegt. 

Die Autorin

Alina Brammer ist Mitarbeiterin dieses Magazins. Sie schreibt über Umwelt, Kultur, Frauenrechte und Religion. Zu ihren Features zählt der Artikel Magie in Spanien

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