War Kolumbus ein Nordwestspanier?

Mammutbäume vom US-Senat, ein ehemaliges Wegkreuz mit der Aufschrift Colón, die Ankunft der Karawelle Pinta vor Ort und ein Museum im angeblichen Geburtshaus des Entdeckers. Im nordwestspanischen Galicien behaupten viele, der große Seefahrer Christoph Kolumbus sei einer von ihnen. Klingt irre, ist aber gar nicht so weit aus der Luft gegriffen.

 von Tobias Büscher

In Genua geboren, in Valladolid gestorben. Und beerdigt schließlich in Sevilla. Diese Daten über Kolumbus (1451-1506) sind im Umlauf: Auf Wikipedia, in einschlägigen Nachschlagwerken, auf tausenden Webseiten.

DNA-Proben der Knochen des Bruders Diego sollten schon 2006 zum 500 Todestag  belegt haben:  Kolumbus ruht tatsächlich in der Kathedrale von Sevilla.

Doch wo kommt er her? War er Cristoforo Colombo, wie die Italiener behaupten? Mancher sogar mit dem Zusatz, sein leiblicher sei keineswegs der Tuchweber und Genuese Domenico gewesen, sondern Papst Innozenz VIII. Oder war er doch der Spanier Cristóbal Colón?

In Barcelona am iberischen Mittelmeer hat man Joan Colom zu Ehren eine riesige Statue an den Hafen gestellt und behauptet: Der Mann war selbstverständlich Katalane. Wir sind schließlich eine Seefahrernation.

Doch auch die Galicier am fernen spanischen Atlantik mischen mit und verweisen dabei auf ihre maritime Vergangenheit.

Ihr Credo bereits seit dem 19. Jahrhundert: der Mann ist nahe Pontevedra südlich von Santiago de Compostela als waschechter Gallego zur Welt gekommen.

Kalifornien hat Galicien als Wiege des Kolumbus anerkannt

1968 kam der Wissenschaftler und spätere Uni-Professor John Harmon McElroy aus Princeton bei einer Forschungsreise nach Poio in Galicien, um die Herkunft des Admirals zu klären. Er untersuchte Dokumente vor Ort und half den Bewohnern Jahre später mit einer sagenhaften PR-Show.

Auf seinen Wunsch hin schickte der US-Senat 1992 zum 500 Jahrestag der Entdeckung Amerikas 500 Mammutbäume nach Nordwestspanien. McElroy hatte den Politikern glaubhaft versichert, das Klima in Nordkalifornien sei in Galicien sehr ähnlich.

Spanische Schulklassen waren daraufhin im Einsatz, mit Hilfe von US-Spezialisten die Bäume nahe Poio im heutigen Wald Bosque de Colón anzupflanzen. Den hat später ein Waldbrand stark zugesetzt.

Doch die Aktion ging um die Welt. Und nicht mehr nur die Galicier glauben seither, der Admiral sei Nordwestspanier. Die Tageszeitung El País titelte wörtlich: "Kalifornien hat Galicien als Wiege des Admirals anerkannt".

Ein Beleg: Das Bild eines verschollenen Cruceiros

Ein dreistöckiges Museum aus Glas und Stahl flankiert heute das angebliche ehemalige Geburtshaus des Admirals in Poio nahe der Provinzhauptstadt Pontevedra: das Casa Museo Colón.

Darin finden sich wertvolle Dokumenten wie das Tordesillas-Abkommen, mit dem sich die Spanier und Portugiesen unter Leitung von Papst Alexander zwei Jahre nach der Entdeckung Amerikas die Welt aufteilten.

Viel relevanter für die galicischen Kolumbus-Fans aber ist ein Foto von 1917 von einem Wegkreuz (Cruceiro), auf dem stand: “Juan Colón R” 1490.

Das ganze also hier angebracht zwei Jahre vor der Entdeckung Amerikas.

Zum Glück gibt es das Foto noch, denn das Wegkreuz selbst ist spurlos verschwunden. Das R steht wahrscheinlich für Recuerdo, also Erinnerung.

Ebenfalls zeigt das Museum einen der ersten Farbfilme der Region aus dem Jahr 1925 mit dem Titel: Pontevedra, Wiege des Kolumbus.

Der Kinopionier damals hieß Enrique Barreiro. Genauso wie der Architekt des Museums. Kein Zufall: Er ist der Sohn des legendären Filmemachers. Nachweislich.

Die These von der galicischen Herkunft unterstützt aber nicht nur die Tatsache, dass in Poio tatsächlich eine Familie namens Colón lebte.

Auch die Schiffe des Admirals gelten als Argument: Die Karavelle Santa Maria (La Gallega) ist in der Werft von Pontevedra gebaut worden.

Und ein weiteres Schiff des Kolumbus, La Pinta, landete als erstes im nahen Baiona, um die sagenhafte Entdeckung im Umlauf zu bringen.

Ein Nachbau steht noch heute dort im Hafen. Begehbar. Und deshalb bei Kindern megabeliebt.

Kolumbus, Cervantes, Franco, Julio Iglesias ...

So einige Prominente hat Galicien hervorgebracht, vom Schmachtsänger Julio Iglesias über den durch und durch vulgären Literaturnobelpreisträger Camilo José Cela bis hin zum Diktator Franco.

Deren galicische Herkunft streitet niemand ab. Doch noch ein anderes echtes historisches Schwergewicht soll Galicier sein: Miguel de Cervantes, der Autor des Don Quijote.

Ein Kaff im Naturschutzgebiet Ancares heißt entsprechend Cervantes, und ein Haus dort ist als ehemaliger Wohnort des literarischen Superstars markiert.

Doch diese These ist noch weit weniger glaubhaft als die von der galicischen Wiege des Kolumbus. Der Grund: Cervantes Taufe in Alcalá de Henares östlich von Madrid ist dokumentiert.

Und das liegt über 500 Kilometer von Ancares entfernt. Welche Mutter, fragen sich Kritiker daher zu Recht, ist so bekloppt und schleppt ihren Neugeborenen innerhalb von 48 Stunden über die Berge Galiciens nach Zentralspanien?

Um zynisch noch einen drauf zu setzen: Das sei ja fast eine Mammutreise wie die des Cristóbal Colón nach Amerika.

Der Autor

Tobias Büscher ist Kölner und Spanienfan.

Er liebt die Fischerorte am spanischen Atlantik, geht mit seinem Kumpel Nacho gerne Tapas essen.

Und hat im September 2020 das Buch "Galicien & Jakobsweg" in erster Auflage bei DuMont herausgebracht.

Mit Frau und Kind war er ein Jahr zuvor sechs Wochen vor Ort. Seitdem isst seine Tochter Marie am liebsten Seekrake.

Das neue Buch unseres Autors über Galicien, erschienen 2020 im Verlag DuMont:

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