Arrea! Der baskische Sternekoch Edorta Lamo
Der Baske Edorta Lamo hat im Jahr 2023 einen Michelinstern erhalten. Besuch bei einem Mann, den der Überlebenswille seiner Großeltern fasziniert und der keine Scheu hat vor Lammhirn und gebratener Drossel.
Von Tobias Büscher (Text und Fotos)
Santa Cruz de Campezo an einem Sonntagmittag. Vor dem Restaurant des Baskenorts in Nordspanien sitze ich mit ein paar Jugendlichen bei Bier und Wermuth auf dem Boden. Über uns hängt das Schild Arrea! (los geht’s!), verziert mit einem Wildschwein. Gleich werden sie reingehen und ein paar Tapas essen, die kaum mehr als zwei Euro kosten. Bei mir wird es etwas länger dauern.
Ist das die Location für hippe Gourmets? Nein. Es ist das Lokal eines Spaniers, der sich Banditen und Basken mit Porrón auf den Unterarm tätowiert hat. Und der sich am liebsten draußen mit dazu setzen würde. Aber heute hat der Sternekoch die Bude voll.
Enkel mutiger Wilderer
Edorta und seine Freundin Leire Martínez sind Enkel illegaler baskischer Wilderer. Im zerklüfteten, unwirtlichen Alavesa-Gebirge haben die Großeltern noch bis in die 1970er Jahre hinein Vögel geschossen und Fallen gestellt. Aus reinem Überlebenswillen und immer in Angst, die Guardia Civil könne sie erwischen.
Punkten die beiden auch deshalb bei den Gourmets? Weil die das wildromantisch finden? Und dazu das Glas mit edlem Rioja-Wein schwenken samt Kennerblick? Wahrscheinlich schon.
Delikatessen aus der Jagdtasche
Einige Tapas in Edortas Restaurant sind rustikal: Wildschweinlende und Hirschwurst wie aus einer ganz normalen Taverne.
Doch der ehrgeizige Hühne, der zunächst einen Faible fürs Schauspielern und Zeichnen entwickelte, zeigte früh: Ich kann mehr. Im kulinarischen Zentrum des Baskenlands hat er mit seiner Phantasie gepunktet, in den USA, bei Starkoch Juan Mari Arzak und dann in einem eigenen Restaurant in San Sebastián, das er mit seiner Freundin pandemiebedingt drangab. Um im Heimatort neu durchzustarten.
Überraschende Dipps
Edorta hat ein Faible für ungewöhnliche Kreationen. Beispielsweise die kunterbunte Komposition Cazuelika en fresko: Wie kleine Puzzelteile befinden sich auf einem großen Teller Rogen und Schwänze von Krabben, geräucherte Forelleneier, Petersiliensprossen und diverse überraschende Dipps.
Vier Stunden für die Sinne
Edorta ist der baskische Name für Eduardo. Seine Kellner müssen gar nicht alles erklären rund um die Krustentiere, Waldfrüchte, Wildschweinzunge, heimischen Salate und edlen Pasteten, denn Edorta macht das gleich selber. Und schenkt jedem Gast ein kleines Heft mit eigenen Zeichnungen und Beschriftung seiner kulinarischen Kreationen.
Für den Besuch sollte man sich Zeit nehmen. Unter vier Stunden geht gar nichts. Und als ich ihn abschließend noch frage, was denn seine Mission sei, klingt die Antwort wie von der Großmutter: „Man muss das Herz füllen.“
Fazit: Fantástico
Adresse:
Arrea!
Santa Cruz de Campezo (Kanpezu)
40 km südwestlich von Vitoria
Subida al Frontón 46
www.arrea.eus
info@arrea.eus
Menü ohne Getränke rund 120 Euro.