Schutz für den Iberischen Luchs in Spanien

Vom Jäger zum Gejagten, vom König der Wildnis zur fast vergessenen Legende. Gelingt dem Pardelluchs die Reconquista? Der Lince Ibérico stand kurz vor dem Aussterben. Es begann ein Wettlauf gegen die Zeit. Mit Zuchtprogrammen, Auswilderungen und Schutzmaßnahmen bekam er eine zweite Chance. Reicht das, um sein Überleben zu sichern? Die Zahl der Raubkatzen hat sich jedenfalls erfreulich erhöht. 

von Alina Brammer

Seit 2020 läuft eines der wichtigsten Artenschutzprojekte Europas: LIFE LYNXCONNECT. Es ist die vierte große Initiative, die sich dem Überleben des Iberischen Luchses widmet. Die Mission ist alles andere als einfach.

Sechs voneinander getrennte Populationen müssen verbunden werden. Sie sollen eine genetisch vielfältige, stabile Metapopulation bilden. Ein Netzwerk aus Luchsen, das sich austauscht und fortbesteht. Dafür wird das Verbreitungsgebiet erweitert. In Granada und Murcia entstehen zwei neue Gruppen. Wissenschaftler, Naturschützer und Umweltbehörden arbeiten Hand in Hand. Koordiniert wird das Projekt vom spanischen Umweltministerium und der andalusischen Regierung Junta de Andalucía.

Diese Schutzmaßnahmen, Zuchtprogramme und Auswilderungen zeigen bereits Wirkung. Es gibt heute über 2000 Iberische Luchse. Eine Zahl, die vor wenigen Jahrzehnten noch undenkbar gewesen wäre.

Aus diesem Grund hat ihn die IUCN 2024 von „stark gefährdet“ auf „gefährdet“ herabgestuft. Und weitere Erfolge lassen sich sehen. Der Luchs kehrt nach Kastilien und León zurück. Am 17. Februar 2025 passiert etwas Historisches: Die Luchse „Virgo“ und „Vuelvepiedras“ werden freigelassen. Ein Zeichen, dass der Plan funktioniert. Die Raubkatze ist dabei, sich ihren verlorenen Lebensraum zurückzuerobern. Aber das ist noch lange keine Entwarnung, denn jeder einzelne Luchs zählt.

Straßenverkehr, Wilderei und schwindende Lebensräume bedrohen den Fortschritt weiterhin. Damit der Luchs langfristig überlebt, muss seine Umgebung mit ihm wachsen. Nachhaltige Landverwaltung ist der Schlüssel.

Die Umweltschützer wissen: Lebensräume müssen geschützt und Konflikte mit menschlichen Interessen minimiert werden. Schutzgebiete allein reichen nicht. Aufklärung ist genauso wichtig. Je mehr Menschen den Wert dieser einzigartigen Tierart erkennen, desto größer sind ihre Chancen.

Rettungsaktion für die Wildkaninchen

Der Iberische Luchs ist ein Meisterjäger. Doch ohne Wildkaninchen bleibt ihm keine Beute. Genau hier liegt das Problem. Tödliche Viruserkrankungen wie Myxomatose und Rabbit Hemorrhagic Disease (RHD) haben die Kaninchenpopulation in Spanien und Portugal fast ausgelöscht.

Der Mensch tat sein Übriges. Felder, Straßen und Siedlungen verdrängten die Tiere. Zurück blieb ein Luchs, der ums Überleben kämpfte. Aber die Natur bekommt eine zweite Chance. Artenschützer greifen ein, um das Gleichgewicht wiederherzustellen.

Kaninchen aus gesunden Beständen werden eingefangen, mit einer schützenden Impfung versehen und an sichere Orte gebracht. Auch wenn nicht alle den Neuanfang überleben. Raubtiere lauern, Straßen werden zur tödlichen Falle und der Stress der Umsiedlung fordert Opfer.

Damit die Kaninchen eine echte Chance haben, wird ihr neuer Lebensraum optimiert. Künstliche Bauten bieten Schutz, dichte Vegetation spendet Deckung und gezieltes Management hält Feinde in Schach. Jedes überlebende Kaninchen ist ein Erfolg, mit der die Hoffnung für den Luchs wächst.

Wie ein Ampelsystem den Luchs schützt

Jedes Jahr sterben rund 40 Iberische Luchse auf Spaniens Straßen. Der Asphalt wird zur tödlichen Barriere. Rasende Autos, dunkle Nächte, ein Moment der Unachtsamkeit und ein weiteres Tier bleibt leblos zurück. Die Technik eilt zur Rettung. Ein innovatives Ampelsystem soll den Luchs vor dem sicheren Tod bewahren.

Infrarot-Sensoren und Wärmebild-Kameras scannen die Umgebung. Taucht ein Luchs in Straßennähe auf, leuchtet die Warnung auf. Autofahrer werden gewarnt, bremsen ab und ein Leben wird gerettet. Diese Technologie schützt nicht nur den Luchs.

Auch in Griechenland, Italien und Rumänien hilft sie, Braunbären vor dem Verkehrstod zu bewahren. Moderne Technik gegen eine uralte Gefahr. Ein Wettlauf gegen die Zeit, den es zu gewinnen gilt.

Zuchtstationen zur Rettung des Pardelluchses

Über 400 Iberische Luchse haben seit 2010 den Weg in die Freiheit gefunden. Ihre Pfoten berühren die Wildnis wieder. Das Revier wuchs von einst 450 auf heute 3300 km². Hinter diesem Erfolg stehen nicht nur Schutzmaßnahmen, sondern drei besondere Orte. Südspanische Zuchtstationen, die Tag für Tag daran arbeiten, die Raubkatze Europas vor dem endgültigen Verschwinden zu bewahren.

El Acebuche – Die Geburtsstätte des neuen Luchses

Tief im Doñana-Nationalpark liegt „El Acebuche“. Eine Station, die 1992 ins Leben gerufen wurde und zur Keimzelle des modernen Luchsschutzes wurde. Hier begann die gezielte Nachzucht. 2005 fiel ein Meilenstein, als das Weibchen Saliega den ersten in Gefangenschaft geborenen Wurf zur Welt brachte. Ein Wendepunkt. Der Beweis, dass es gelingen kann, eine Art zurückzuholen, die schon fast verloren war.

Heute ist „El Acebuche“ das strategische Zentrum des gesamten Zuchtprogramms. Von hier aus werden die Populationen betreut, genetische Vielfalt gesichert und der Weg für neue Auswilderungen geebnet.

La Olivilla – Die Hochburg der Nachzucht

2007 öffnete sich in Santa Elena (Jaén) eine weitere Tür zur Zukunft des Luchses. „La Olivilla“ wurde zur größten Zuchtstation Spaniens. 23 weitläufige Gehege, jedes rund 1250 m² groß, bieten den Tieren eine möglichst naturnahe Umgebung.

Hier wachsen Jungtiere unter optimalen Bedingungen auf. Zusätzlich sorgen modernste Labore, Quarantäne-Stationen und Handaufzucht-Räume für eine bestmögliche Betreuung. Ein besonderer Erfolg kam 2009, als zum ersten Mal ein Wurf in Gefangenschaft geborener Luchse erfolgreich aufgezogen wurde. Ein weiteres Kapitel in der Rettungsgeschichte der Art.

Zarza de Granadilla – Die Zukunft sichern

2011 kam eine dritte Station hinzu. „Granadilla“ in Cáceres schließt eine entscheidende Lücke im Schutzprogramm. Hier geht es nicht nur um die Nachzucht, sondern um die langfristige Sicherung der Bestände. Luchse, die hier aufwachsen, sollen eines Tages in die Wildnis zurückkehren.

Jede Maßnahme ist darauf ausgerichtet, ihnen die besten Überlebenschancen zu geben. Die Natur soll sie wieder aufnehmen, ohne dass sie erneut an den Rand des Aussterbens geraten. Und Platz ist genug da, wie hier in der Sierra de Cazorla in Nordandalusien:

Was den Iberischen Luchs so einzigartig macht

Mit seinem schlanken Körper, den langen Beinen und dem markanten Backenbart wirkt der Iberische Luchs wie eine elegante Raubkatze aus einer anderen Zeit. Seine schwarzen Ohrpinsel ragen keck in die Luft, sein Fell ist von dunklen Flecken übersät. Keine andere Luchsart ist so gemustert wie er.

Der Iberische Luchs oder auch Pardelluchs genannt, gehört zur Familie der Katzen und ist ein enger Verwandter des Eurasischen Luchses.

Weltweit gibt es vier Luchsarten: den kanadischen Luchs, der in Kanada und Alaska zu Hause ist, den Rotluchs, der durch die USA und Mexiko streift, den Eurasischen Luchs, der von Europa bis nach Asien vorkommt und schließlich den Iberischen Luchs, der ausschließlich auf der Iberischen Halbinsel lebt. Unter ihnen ist er der Seltenste und der, der am härtesten um sein Überleben kämpfen muss.

Der kleine Räuber ist ein Meister der Tarnung. In den abwechslungsreichen Landschaften Spaniens und Portugals verschmilzt sein gelbbraunes Fell perfekt mit der Umgebung. Wälder im klassischen Sinne meidet er.

Er ist ein echter Habitatspezialist und braucht strukturreiche, halboffene Landschaften. Im Südwesten Spaniens bevorzugt er mediterranes Buschland, streift durch Eschenbestände und versteckt sich in Olivenhainen mit dichtem Unterwuchs. Kiefern- und Eukalyptusplantagen hingegen bieten ihm weder Schutz noch Nahrung. Sie bleiben für ihn lebensfeindlich.

Trotz seiner wilden Erscheinung ist er nicht besonders groß. Mit einer Kopf-Rumpf-Länge von 68 bis 82 cm bleibt er kompakt, sein kurzer Schwanz misst gerade einmal 16 bis 22 cm. Männchen sind meist kräftiger als Weibchen.

Sie bringen zwischen 9 und 14 kg auf die Waage, während ihre Gefährtinnen eher zwischen 7 und 10 kg wiegen. Doch was ihm an Größe fehlt, macht er mit Geschick und Schnelligkeit wett. Seine Jagdtechnik ist präzise. Lautlos pirscht er sich an, fixiert sein Ziel und schlägt blitzschnell zu. Ein gezielter Biss in die Schädelbasis und das Kaninchen hat keine Chance.

Ganz wild auf Gänse, Hühner und Kaninchen

Der Iberische Luchs ist ein Nahrungsspezialist. Wildkaninchen machen dabei bis zu 93% der Beute aus. Ohne sie kann er nicht überleben. Doch auch andere Tiere stehen auf dem Speiseplan. Mäuse, Schlangen und Eidechsen gehören ebenso dazu wie Enten, Gänse und Wildhühner. Im Herbst und Winter reißt er manchmal sogar Kitze von Dam- und Rotwild.

Größere Beute tötet er mit einem kräftigen Biss in die Kehle, verschleppt sie in dichte Büsche und scharrt Blätter sowie Erde darüber. So kann er tagelang davon zehren, ohne dass andere Räuber ihm die Mahlzeit streitig machen. 

Wenn die Sonne untergeht, wird der Luchs aktiv. In der Dämmerung schleicht er durch sein Revier, stets auf der Hut. Im Sommer jagt er meistens nachts, im Winter wagt er sich auch tagsüber aus der Deckung. Seine Welt ist eine des Wartens und Zuschlagens. Ein ständiger Balanceakt zwischen Tarnung und Angriff.

Als Einzelgänger ist er auf sich gestellt. Nur in der Paarungszeit, meist zwischen Januar und Februar, verändert sich sein Leben. Dann ziehen durchdringende Rufe durch die Landschaft. Männchen liefern sich wilde Kämpfe um die Gunst der Weibchen.

Höchstalter: 15 Jahre

Nach einer Tragzeit von etwa zwei Monaten kommen ein bis vier Jungtiere zur Welt. Winzig, blind und völlig hilflos liegen sie in einem geschützten Versteck. Zwei Monate lang verlassen sie das Geburtsgebiet nicht. Nach etwa 20 Monaten wagen sie schließlich den ersten eigenen Schritt in die Wildnis. Doch das Leben in Freiheit ist hart. Ein Iberischer Luchs wird dort selten älter als zehn Jahre. In menschlicher Obhut kann er bis zu 15 Jahre erreichen. 

Das Reich des Iberischen Luchses

Andalusien – Spaniens größte autonome Gemeinschaft, ein Land der Gegensätze. Zwischen schneebedeckten Gipfeln der Sierra Nevada und den endlosen Stränden der Costa de la Luz erstreckt sich eine Region voller Geschichte und wilder Schönheit. Hier liegen einige der berühmtesten Städte Spaniens: Sevilla, Granada und Córdoba. Sie erzählen von vergangenen Reichen, maurischer Architektur und jahrhundertealten Traditionen. Doch abseits der belebten Straßen und prächtigen Paläste gibt es eine andere verborgene Welt.

Hier streift der Iberische Luchs durch sein angestammtes Revier. Nur wenige Tiere überlebten in den letzten unberührten Winkeln der Landschaft. Heute leben hier wieder 1668 Luchse. Ein Triumph für den Artenschutz, erreicht durch unermüdliche Wiederansiedlungsprogramme und den Schutz seines natürlichen Habitats. 

Ein besonderer Rückzugsort ist der Nationalpark Coto de Doñana, eines der letzten großen Wildnisgebiete Europas. Ein Mosaik aus Feuchtgebieten, Sanddünen und lichten Kiefernwäldern erstreckt sich hier über die Provinzen Huelva, Sevilla und Cádiz. Kraniche waten durch stille Lagunen, Wildpferde ziehen durch das Marschland, und in den Schatten dichter Sträucher lauert der Luchs auf seine Beute. Es ist ein Paradies, aber auch ein empfindliches Ökosystem.

Von hier aus begann der Wiederaufbau. Die dichten Buschlandschaften Andalusiens und Portugals wurden geschützt, Wildkaninchenbestände gefördert, Lebensräume wiederhergestellt. Die Erfolge reichen mittlerweile über die Grenzen Andalusiens hinaus. Der Luchs erobert Stück für Stück sein verlorenes Territorium zurück – ein stiller und geduldiger Jäger.

Gejagt, verfolgt, fast ausgelöscht

Für viele war der Luchs kein faszinierendes Wildtier, sondern ein Störenfried. Ein Räuber, der Vieh riss, ein Konkurrent, der sich an den gleichen Kaninchen bediente wie menschliche Jäger. Sein Verbrechen? Er tat, was Raubkatzen tun – jagen, überleben, seinen Platz in der Natur behaupten.

Im 19. Jahrhundert begann eine gnadenlose Verfolgung. Gewehrkugeln, Fallen, Giftköder – alles war erlaubt. Sein dichtes Fell wurde zur begehrten Trophäe, sein Fleisch gegessen, sein Kopf als Jagdpreis ausgestellt. Jäger sahen in ihm einen Rivalen, Bauern einen Feind. Seine Zahl schrumpfte mit jeder Generation.

Zwischen 1960 und 1978 verlor der Iberische Luchs 80 % seines Lebensraums. Landwirtschaft und Monokulturen verdrängten ihn. Heimische Wälder wurden großflächig in eintönige Kiefern- und Eukalyptusplantagen umgewandelt. Früher war er über die gesamte Iberische Halbinsel verbreitet, streifte durch Portugal, Spanien und sogar den Süden Frankreichs. 

1975 kam das Verbot, ihn zu töten. Auf manchen Höfen und in abgelegenen Jagdrevieren hielt sich jedoch die alte Feindschaft. Zwischen 2002 und 2021 wurden 233 Luchse illegal getötet. Wilderer legten Köder aus, Schüsse fielen im Schutz der Dunkelheit. Manche sahen in ihm noch immer eine Bedrohung, andere betrachten ihn als Plage, die es auszumerzen galt. Im 21. Jahrhundert galt er als die am stärksten gefährdete Katzenart der Welt.

LIFE – Das Programm, dass den Iberischen Luchs rettete

Somit stand fest: Ohne gezielte Schutzmaßnahmen würde diese Raubkatze nicht überleben. Die Zeit drängte, der Bestand war dramatisch gesunken. Mit einer beispiellosen Kraftanstrengung begann eines der größten Naturschutzprojekte Europas – das LIFE-Programm, das unter der Leitung von Miguel Ángel Simón Mata, dem Chef des Luchses, unvorstellbar gewesen wäre. Der Biologe aus Jaén hat sich bereits seit den 1990er Jahren mit Leidenschaft für den Artenschutz eingesetzt. Der Luchs wurde allerdings zu seiner Lebensaufgabe.

Spanien startete 1994 bis 1999 eines der ersten groß angelegten Schutzprogramme. Wissenschaftler und regionale Institutionen arbeiteten zusammen, um Luchsgebiete zu überwachen, Bedrohungen zu identifizieren und unnatürliche Todesfälle zu reduzieren.

Aber es reicht nicht nur, Daten zu sammeln. Auch Menschen müssen Teil der Lösung werden. 1996 folgte die Sensibilisierungskampagne „Mit dem Luchs leben“. Mal- und Schreibwettbewerbe wurden organisiert, um Kinder und sogar Jäger für den Schutz der Raubkatze zu gewinnen.

Trotz dieser Bemühungen stand der Iberische Luchs weiterhin vor dem Abgrund. Kaum mehr als 100 Tiere lebten noch in freier Wildbahn. Ab 2001 begann Simón, das ambitionierte Schutzprogramm in Andalusien zu leiten und legte die Grundlage für das LIFE+Projekt Iberlince.

Mit Unterstützung der EU, der regionalen Verwaltung und Organisationen wie der Fundación CBD-Hábitat waren die Investitionen gewaltig: 9,3 Millionen Euro, davon 42 % aus EU-Mitteln. Lebensräume wurden wiederhergestellt, Luchs- und Kaninchenbestände überwacht, unnatürliche Todesursachen bekämpft. Die Erfolge waren sichtbar. Innerhalb von vier Jahren wuchs der Bestand um 49 %, das Verbreitungsgebiet um 73 %.

2006 begann die zweite Phase des LIFE-Projekts. Diesmal lag der Fokus auf der Wiedereinführung des Iberischen Luchses in historische Verbreitungsgebiete Andalusiens. In Guadalmellato (Córdoba) wurde 2009 ein neues Populationszentrum geschaffen, in dem sieben Luchse freigelassen wurden. Ein Jahr später (2010) folgte Guarrizas (Jaén), wo fünf weitere Tiere ausgewildert wurden.

Gleichzeitig wurde die genetische Vielfalt der Doñana-Population durch gezielte Umsiedlung von Luchsen aus der Sierra Morena verbessert, um Inzucht zu vermeiden. Das übergeordnete Ziel: Das Risiko des Aussterbens verringern, indem sowohl die Anzahl als auch die Größe der Populationen wächst. 

Die Zahlen sprechen für sich. Von nur 94 Tieren im Jahr 2002 stieg der Bestand auf 326 im Jahr 2012. Dieser Erfolg blieb nicht unbemerkt. 2012 erhielt das Projekt die EU-Auszeichnung „Best of the Best“. Was als verzweifelter Rettungsversuch begann, wurde zu einer der größten Erfolgsgeschichten im europäischen Artenschutz. 2019, nach über 30 Jahren im Naturschutz, ging Simón in den wohlverdienten Ruhestand. 

Aber sein Vermächtnis bleibt. Seit 2020 läuft das vierte große Schutzprojekt – LIFE LYNXCONNECT – welches bis heute (2025) fortgeführt wird. Die Ziele sind ehrgeizig, aber notwendig: Das Aussterberisiko weiter senken, den Populationstatus verbessern und verbliebene Bedrohungen reduzieren.

Nachhaltige Landverwaltung soll dafür sorgen, dass der Luchs nicht nur überlebt, sondern dauerhaft seinen Platz in der Wildnis behauptet. Auch gesellschaftliches Engagement steht weiterhin im Fokus. Je mehr Menschen für den Schutz dieser faszinierenden Raubkatze sensibilisiert werden, desto größer sind ihre Überlebenschancen. Zusätzlich wird die iberische Schutzstrategie laufend aktualisiert, um auf neue Herausforderungen reagieren zu können.

Auch Francisco Javier Salcedo Ortiz, der das Projekt LIFE LYNXCONNECT koordiniert, betonte in einem Interview: „Die größte Erholung einer Katzenart, die jemals durch den Naturschutz erreicht wurde, ist das Ergebnis einer engagierten Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Einrichtungen, wissenschaftlichen Institutionen, Nichtregierungsorganisationen, privaten Unternehmen und Mitgliedern der Gemeinschaft, einschließlich lokaler Landbesitzer, Landwirte, Wildhüter und Jäger.“

Grüne Brücken für den Luchs

Für den Iberischen Luchs ist die Landschaft oft ein Flickenteppich. Straßen, Städte, Plantagen – alles zerschneidet seinen Lebensraum. Ein Luchs braucht Raum, er muss sich bewegen, jagen, neue Gebiete erschließen und sich mit anderen Gruppen vermischen. Ohne Verbindung zwischen den Schutzgebieten droht Isolation, Inzucht und der Verlust genetischer Vielfalt. Hier kommen ökologische Korridore ins Spiel. Unsichtbare Rettungswege für die Raubkatze.

Diese grünen Korridore sind sichere Passagen zwischen Schutzgebieten, die dem Luchs eine ungehinderte Wanderung ermöglichen. Sie bestehen aus naturnahen Übergängen, Wasserläufen und dichten Buschlandschaften, aber auch aus speziell angelegten Tunneln, die mit Grünflächen bewachsen sind. Ohne sie wäre der Luchs gefangen, eingekesselt von Straßen, Siedlungen und unüberwindbaren Hindernissen. Mit einem funktionierenden Netzwerk kann er aber neue Reviere erschließen, Partner finden und auf Umweltveränderung reagieren. Klimawandel, Krankheiten oder Nahrungsknappheit zwingen ihn oft zum Weiterziehen. Korridore machen genau das möglich.

Ein Beispiel dafür ist der Doñana-Naturraum, wo Gebiete wie Veta La Palma, Raya Real, Brazos de la Torre y del Este und Arroyo de Pilas als natürliche Verbindungswege dienen. Dichte Vegetation und Wasserstellen bieten Deckung und Nahrung, während sie gleichzeitig isolierte Gebiete miteinander vernetzen.

Guadiamar: Aus einer Ökokatastrophe wird eine Lebensader

Einer der wichtigsten Korridore ist der „Corredor Verde del Guadiamar“. Einst ein geschundener Landstrich, heute ein Modell für erfolgreichen Naturschutz. Nach dem verheerenden Bergbauunglück von 1998, bei dem giftige Schwermetalle den Fluss Guadiamar verseuchten, wurde die Region aufwändig restauriert. Aus einer ökologischen Katastrophe entstand eine neue Lebensader. Heute verbindet der grüne Korridor von Guadiamar die Sierra Morena mit Doñana und ermöglicht den genetischen Austausch zwischen den Luchspopulationen beider Regionen.

Solche Korridore sind Schutzräume, Rettungsinseln und Zukunftsbrücken. Sie beweisen, dass Naturschutz mehr ist als Reservate und Zäune – er bedeutet Verbindung, Bewegung und Anpassung.

Verschwunden für immer? Nicht, wenn wir handeln

Stell dir eine Welt ohne den Iberischen Luchs vor. Eine Wildnis, in der das leise Knacken von Zweigen nicht mehr sein geschmeidiger Körper verursacht. Wo seine markanten, schwarzen Ohrpinsel nicht mehr durch das dichte Gebüsch ragen. Wo kein einzelner Luchs mehr durch die mediterranen Wälder Spaniens streift. Es wäre eine ärmere Welt.

Er wurde gejagt, sein Lebensraum zerstört, seine Beute dezimiert. Er war dem Abgrund gefährlich nah. Und trotzdem gibt es ihn noch. Weil Menschen entschieden haben, dass sein Verschwinden keine Option ist. Weil Wissenschaftler, Naturschützer und Behörden zusammengearbeitet haben. Und weil auch du jetzt gerade dazu beiträgst, indem du dich informierst und nicht wegschaust.

Aber was macht diesen Luchs eigentlich so besonders? Ist es seine unverwechselbare Fellzeichnung, die ihn einzigartig unter seinen Verwandten macht? Seine blitzschnellen Jagdmanöver, mit denen er Wildkaninchen in Sekundenbruchteilen erlegt? Oder ist es die Tatsache, dass eine Art, die fast verloren war, jetzt die Chance hat, ihren Platz in der Natur zurückzuerobern?

Egal, welche Antwort dir zuerst in den Sinn kommt – der Iberische Luchs ist es wert, gerettet zu werden. Nicht nur, weil er wunderschön ist, sondern weil seine Geschichte zeigt, dass es sich lohnt, für seine Art zu kämpfen. Und vielleicht hast du mit diesem Wissen schon den ersten Schritt getan.

Goldene Münze zu Ehren einer ganz seltenen Raubkatze

Und genau das haben sich auch die Macher der Münze gedacht. Der Iberische Luchs verdient eine Ehrung. Die Real Casa del la Moneda, die königliche spanische Münzprägeanstalt, hat ihm ein Denkmal gesetzt: die 1,5-Euro Goldmünze „Lince Ibérico“. Diese Münze aus Feingold wurde erstmals 2021 in einer streng  limitierten Auflage von 12.000 Exemplaren geprägt. Und sie ist weit mehr als nur ein Sammlerstück.

Auf der Vorderseite trägt sie die Insignien des spanischen Königshauses mit der Inschrift „Felipe VI. Rey de España“. Die Rückseite zeigt den Iberischen Luchs umrahmt vom Schriftzug „Lince Ibérico“.

Diese Münze vereint Geschichte, Kunst und Naturschutz. Sie erinnert an Spaniens lange Tradition der Goldprägung und feiert gleichzeitig eines der seltensten Tiere der Welt. Mehr als nur glänzendes Metall. Sie steht für den Wert des Lebens, den man nicht in Gold aufwiegen kann.

Die Autorin

Alina Brammer ist Umweltexpertin unseres Magazins.

Sie befasst sich mit der aktuellen Lage in Schutzgebieten wie den Picos de Europa ebenso wie für bedrohte Tiere wie Bären und Luchse von Asturien im Norden bis Andalusien im Süden Spaniens.