Romanik pur: Portal der Kirche von Santo Domingo
Wie die Welt entstand. Wie Gott Adam und Eva erschuf. Wie Herodes die Kinderköpfe abhacken ließ. Dazu Höllenfratzen, Lämmer und drei Menschen, die sich im Doppelbett ausruhen. Der Figurenschmuck der Kirche Santo Domingo in Soria ist ein Meisterwerk romanischer Figurenkunst. Kennt bloß kaum einer.
von Tobias Büscher
Die Stadt Soria in Nordkastilien habe ich erstmals im Herbst 2016 besucht. Und dabei etwas entdeckt, was auf dem spanischen Jakobsweg ein Top-Highlight wäre.
Die kleine Kirche Santo Domingo mitten in der Altstadt. Genauer das unglaublich schöne Eingangsportal. Auch wer eher auf Almodóvar-Filme steht, auf gute Tapas, Spaniens Fußballteam Furia Roja oder Krakenfeste: Wer an diesem Portal vorbeigeht, hat irgend etwas falsches geraucht.
Die Figuren zeigen das Alte Testament. Soweit noch nichts ungewöhnliches. Aber sie sind für das 12. Jahrhundert unglaublich ausdrucksstark. Die Rippe von Adam, mit der Eva entsteht, das Töten der Kinder durch Herodes. Die Sterne, die am Himmel erscheinen. Und die Müden, die sich im Bett ausruhen. Dazu Musiker und Monster dicht an dicht an einem Portal, das ganze Kunstbücher füllen könnte. Läge es nicht abgeschieden einer entlegenen Provinz weit weg von Madrid und den Touristenhochburgen am Mittelmeer.
Beißen, Winken, Geige spielen
Die vielen Figuren zeigen die gesamte Bibelgeschichte des Alten Testaments. Und bieten zumindest für Fans alter Kirchenkunst auch Außergewöhnliches. Denn im Zentrum des Spektakels sitzt der kleine Jesus nicht etwa auf dem Schoß seiner Mutter Maria, sondern auf dem Schoß von Gott höchstselbst, umringt von den vier Evangelisten.
Die Liebe zum Detail ist beachtlich. Der Geiger hat nicht etwa nur einen Bart, sondern einen als Zopf geflochtenen. Der Rumpf ist zwar vom Kopf getrennt, doch der Tote winkt mit der rechten Hand. Und die Höllenwesen picken, beißen und zerren, als wollten die Skulpteure von vornherein jeden Horrorfilm der Zukunft in den Schatten stellen.
Nur wer sie genau waren, bleibt ein Geheimnis. Was typisch ist für das Hochmittelalter. Einer der wenigen Meister, welche die Nachwelt kennt, ist Mateo, der Erschaffer des Portals Pórtico de la Gloria in Santiago. Kein Wunder in dem Fall.
Denn der Mann bekam von König Fernando ein Jahresgehalt von 100 Goldstücken. Seine Kollegen hätten für ihre Arbeit am Portal der Kirche Santo Domingo ähnlich viel Geld verdienen müssen. Haben sie ganz sicher nicht. Und ihr Werk ist weitgehend in Vergessenheit geraten.
Fazit: Gute Arbeit allein reicht nicht. Erst Wunder und Legenden wie die vom Heiligen Jakob machen ein Gotteshaus richtig berühmt.
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Anreise und Lage
Anreise: Soria liegt 230 km nordöstlich von Madrid. Vom Flughafen Barajas geht es am einfachsten per Mietwagen über die N122 nach Soria (230 km) vorbei an Buitrago de Lozoya und El Burgo de Osma (sehenswert).