Legendäre Operndiva mit Charme

Mehr als ein halbes Jahrhundert begeisterte die weltberühmte Sopranistin Liebhaber der klassischen Musik. Auch Popcharts eroberte Montserrat Caballé (1933-2018). Fußball und Malerei waren weitere Leidenschaften der Opernsängerin. Ein Portrait, as zu Lebzeiten entstand.

von Tatjana Balzer

Montserrat Caballé betritt die Bühne. Das Gehen fällt ihr schwer. Sie stützt sich auf den Arm ihres Pianisten, geht sehr langsam, und es dauert ein bis zwei Minuten, bis sie vor dem Mikrofon steht. Dann sagt sie etwas Lustiges zu den Zuschauern, das Publikum lacht, und ihr schwerer Gang auf die Bühne ist vergessen. Der Pianist holt aus dem lackierten Flügel erste Musiktöne heraus, ihre Stimme füllt den großen Raum mit lyrischer Kraft und Leichtigkeit. Maria Callas, die Diva unter den Sängerinnen, verglich die Stimme von Montserrat Caballé einmal mit einer leichten Brise auf der Haut.

"Man soll sich nicht wundern, wenn eines Tages in der Zeitung steht, dass die Caballé auf der Bühne tot umgefallen ist,“ scherzte die Spanierin einst laut einem Bericht der dpa. In der Tat: Die meisten Sänger in ihrem Alter sind schon längst im Ruhestand. Aber die 1933 in Barcelona geborene und aufgewachsene Künstlerin sagt, sie werde singen bis an das Ende ihrer Tage. Singen sei ihr Leben.

Durchbruch zum Weltstar

Heute ist es vielleicht nicht nachzuvollziehen, aber der Weg von Montserrat Caballé auf die Weltbühne war nicht leicht. Ihre Familie verarmte während des Spanischen Bürgerkriegs, und Montserrat sagt, sie schämte sich für ihre Armut.

In der Schule zog sie sich zurück und war nicht besonders beliebt. Schon früh musste sie in einer Taschentuchfabrik arbeiten, um zum Familieneinkommen beizutragen. Später hatte sie etwas mehr Glück: Ein Freund der Familie unterstützte sie mit einem Stipendium während des Gesangstudiums. Dieses schloss sie 1954 mit Auszeichnung ab.

Erste Engagements in Deutschland

Doch auch mit gutem Abschluss fand die junge Sängerin nicht sofort ein festes Engagement. Dies gelang ihr erst zwei Jahre später: Zuerst bekam sie eine Stelle im Stadttheater in Basel, danach wechselte sie nach Deutschland, ins Bremer Stadttheater. Nach insgesamt sechs Jahren kehrte die Katalanin 1962 zurück in ihre Heimatstadt.

Inzwischen wurde die Sopranistin immer häufiger zu Gastspielen in die anderen bekannten Opernhäuser eingeladen, darunter auch in die Wiener Staatsoper. Doch einen Durchbruch zum Weltstar schaffte Montserrat Caballé erst nach zehnjähriger harter Arbeit. 1965 debütierte sie in der New Yorker Carnegie Hall, als sie anstelle der verhinderten amerikanischen Mezzo-Sopranistin Marylin Horn die Hauptrolle in Donizettis Oper „Lucretia Borgie“ übernahm. Die Südeuropäerin faszinierte das amerikanische Publikum mit ihrer warmen, gefühlvollen Stimme, und die Zeitungen umjubelten sie als neuen Star.

Die Operndiva erobert Popcharts

In ihrer Karriere sang Montserrat Caballé in mehr als 100 Opern und gab über 4000 Auftritte. Aus gesundheitlichen Gründen singt sie in den letzten Jahren keine Opern mehr, reist aber nach wie vor mit Konzerttourneen durch die Welt. Musik war für die legendäre Operndiva nie ein Geschäft. Nach eigenen Angaben, wollte sie auf keinen Fall eine Sklavin des Show-Business werden. Heutzutage, bedauerte die Meisterin, werde auf der Bühne oft das gemacht, was der Markt braucht. Sie selbst sei aber in einer anderen Zeit geformt, als nur die Liebe zur Musik zählte.

Die Liebe für die Musik ist für die Sopranistin übrigens nicht nur die Liebe zu Opern. In ihren Konzerten singt sie gern auch Volkslieder sowie spanische Operetten (Zarzuelas). Und sogar Ausflüge in die Rock- und Popmusik unternahm die Grande Dame, als sie etwa im Duett mit dem Rock-Musiker und dem Leadsänger der Band „Queen“, Freddie Mercury, ein gemeinsames Album veröffentlichte. Mit dieser Arbeit eroberte die Operndiva auch die Popcharts, und der Hit „Barcelona“ war als Hymne der Olympischen Spiele von 1992 ausgewählt.

Familie, Aquarelle, FC Barcelona

Wie und wo schöpft die Sängerin neue Energie für ihre Auftritte? Außer Musik hat sie noch eine Leidenschaft: die Malerei. Auf ihren Tourneen nimmt sie unbedingt gutes Papier mit und fast in jeder Stadt, wo sie gastiert, malt sie Aquarelle.

Diese schmücken ihr Zuhause und das Sommerhaus. Sie ist auch ein großer Fußballfan. Für eine echte Katalanin ist der FC Barcelona natürlich die beste Mannschaft der Welt.Jedoch über all diesen Dingen – auch mehr als die Musik – liebt Montserrat Caballé ihre Familie.

Zum Glück musste sie sich nie zwischen Beruf und Familie entscheiden. Seit 1964 ist sie mit dem Tenor Barnabé Martí verheiratet, ihre Tochter, Montserrat Martí, ist ebenso eine Opernsängerin. Der Bruder von Montserrat Caballé ist ihr Impressario, und ihre Nichte begleitet sie als Sekretärin auf Tourneen.

Die Liebe zur Familie und Musik gibt der legendären Operndiva Ruhe und Gelassenheit, Optimismus und Humor. Und wenn Montserrat Caballé auf der Bühne steht, verzaubert sie ihre Zuschauer und Zuhörer nicht nur mit ihrer schönen Stimme. Sie gibt ihrem Publikum ihre positive Kraft.

Die Autorin

Tatjana Balzer hat Slavistik in Russland studiert und arbeitete als Redakteurin bei Tageszeitungen in der russischen Großstadt Togliatti (Wolga-Region). Seit 2000 lebt sie in Köln und ist freiberufliche Journalistin.