Enric Rovira im Porträt
Dalí der Schokolade
Der Katalane Enric Rovira macht aus Schokolade Kunst wie einst Dalí organische Bauten aus Stein und Mosaikresten.
von Silke Büscher
Kataloniens Sonne brennt heiß auf einen Tisch. Der steht in einem Hof nahe Barcelona und ist ihr gnadenlos ausgesetzt. Ein schlanker Mann mit lichtem Haar stellt Schokoladeneier darauf - jedes etwa 30 cm hoch.
Durch die Hitze schwitzen sie. Dann beginnt jedes Ei an der Stelle mit der höchsten Strahlungseinwirkung zu schmelzen. Ein kleines Loch an der Oberseite entsteht.
In diesem Moment wird es hektisch. Fleißige Hände tragen die gefährdeten Objekte umgehend ins Kühle. Später werden sie individuell per Airbrush verziert.
Einige bekommen sogar einen metallischen Glanz. Der Verursacher dieses vermeintlichen Wahnsinns? Enric Rovira (40), einer der kreativsten Chocolatiers Spaniens, vielleicht der Welt.
Schokolade als Spielzeug
Seine Eltern betreiben eine Konditorei in Barcelona. Schon als Kind nascht der kleine Enric gerne in der Backstube. Ganz nebenbei entdeckt er Schokolade, Nougat und Co, als prima Spielzeug für sich.
Andere Kinder formen mit Plasteline, Enric nimmt Schokolade. Damit kann er matschen, kneten und seine Phantasie voll ausleben. Seine ersten Objekte isst er schlicht und einfach auf – so die Vermutung.
Heute sind es Meisterwerke, viel zu kunstvoll, um sie einfach in den Mund zu stecken.
Meister auf eigenen Wegen
Hinter ihm liegen eine klassische Ausbildung und die üblichen Lehr- und Wanderjahre. „Ich hatte das Glück, bei Meister-Chocolatiers wie Escribà und Joan Giner lernen zu dürfen“, sagt Rovira. Ewig angestellt?
Das ist kein Thema für den Mann mit den sprühenden Ideen. Mit wirtschaftlichem Gespür erkennt er eine Marktlücke.
Es mangelt der Branche an klaren Konzepten, entsprechender Präsentation - schlicht an Marketing. Er gründet 1993 in Barcelona eine eigene Firma, gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Francesc Forrellat.
„Wir wollten das verkaufen, was ich herstelle, was interessant und einzigartig ist“, erzählt der Meisterchocolatier.
Dali der Schokolade
Rovira interpretiert die Fassadenmosaiken des berühmten Architekten Gaudí neu – mit Schokolade natürlich. Das ist sein Durchbruch. Akribisch kümmert er sich um jedes Detail, zeichnet, gestaltet die Verpackungen.
Oft lässt er sie auch von bekannten Künstlern entwerfen. Ergebnis sind einzigartige Kollektionen. „Das Auge isst mit“, dieses Motto treibt Rovira auf die Spitze.
Der Geschmack seiner Produkte ist Handwerk in Perfektion, die Optik Kunst in Reinkultur. In der Szene heißt er daher anerkennend „Dalí der Schokolade“.
Virtuelle Praline
Neben Schokoladeneiern in allen Farben, Formen und Geschmacksrichtungen sucht sich Enric Rovira stetig neue Themen. Außergewöhnlich und überraschend müssen sie sein.
So symbolisiert eine der Pralinen seiner „Oceans“-Kollektion das kalte Meer der Arktis. Im Kern befindet sich ein Salzkristall. Beim langsamen Schmelzen im Mund entsteht der Eindruck, einen kalten Tropfen Meerwasser auf der Zuge zu haben.
Legendär ist auch die Auswahl „Planetopia“ – neun kunstvoll gestaltete Planeten und eine strahlende Sonne. Die kühnste und zugleich überraschendste Schöpfung Roviras ist jedoch die virtuelle Praline.
ie besteht aus Metall und verströmt beim Öffnen der kleinen Schachtel einen wundervoll frischen Kakao-Duft.
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