Gibraltar: The Rock steht am Anfang vom Ende
Seit 300 Jahren weht über einem 6,5 Quadratkilometer kleinen Areal an der Südspitze Spaniens der Union Jack. Die Flagge ist sichtbares Zeichen eines seit drei Jahrhunderten schwelenden Konflikts zwischen Spanien und dem Britischem Empire. Stachel für die einen, ist Gibraltar Trophäe für die anderen. Und beides in einem für die Europäische Union nach dem Brexit der Briten.
Eine Einschätzung von Cornelia Bremer
Dabei liegt die Grundsteinlegung für die britische Exklave im Mittelmeer schon lange zurück. Als Folge des spanischen Erbfolgekrieges 1704 bekam das britische Königreich nicht nur Menorca und das Monopol auf den Sklavenhandel mit den spanischen Kolonien in Amerika zugesprochen. Der Sieg brachte auch dieses kleine Fleckchen spanischer Erde an der Pforte zu Afrika ein.
Knapp 30 000 Menschen und eine Hand voll werbewirksamer Berberaffen leben auf dem felsigen Boden – und doch geht es um mehr, sowohl für die Spanier als auch für die Briten.
Gibraltar hat eine strategisch bedeutungsvolle Lage für Großbritannien. Es ist der Zugang zum Mittelmeer, es sind weitreichende Fischereirechte mit „The Rock“ verbunden und eine Kontrolle über illegale Einwanderer vor allem aus Afrika. Und es geht natürlich um Prestige und Gesichtsverlust – für beide Seiten und für die Europäische Union. Gerade nach dem Austritt der Briten aus der EU.
Der Fels von Bedeutung für Spanier und Briten
Bereits im Zweiten Weltkrieg erwies sich Gibraltar als äußerst bedeutungsvoller militärischer Außenposten des Inselstaates. Nach dem Austritt aus der EU wird dieser Zugang zum Mittelmeer militärisch um ein Vielfaches bedeutsamer für die Briten. Die Bevölkerung Gibraltars hatte ihre Entscheidung vor dem Brexit in gleich zwei Referenden deutlich gemacht: Sowohl 1967 als auch 2002 wollten sie very british bleiben.
Ob das nach dem Austritt aus der EU noch so ist, bleibt unklar. Ernsthaft erwartet niemand, dass die Bewohner von "The Rock" Einfluss auf die Entscheidung haben! Für Spanien ist Gibraltar vor allem ein Stachel im patriotischen gelb-roten Blut. Seit 300 Jahren und schmerzhaft sichtbar.
Für alle! Vor allem für die Millionen von Touristen, die jährlich eine Stippvisite in Gibraltar machen - vornehmlich Spanientouristen, die ihren Badeurlaub mit einem Kurztrip nach Großbritannien verbinden möchten. Immerhin sind das drei Millionen Besucher im Jahr.
Im Brexit-Vertrag vergessen: Theresa May in deep troubles
Und Großbritannien wird seinen Fels in der spanischen Brandung mit allen Mitteln verteidigen - gerade und vor allem nach dem Brexit. Die EU sicherte Spanien ein Vetorecht bei den Entscheidungen um Gibraltar zu.
Die Antwort aus London kam schnell und deutlich. Michael Howard, ehemaliger Vorsitzender der konservativen Partei, brachte gleich "private" Kriegsgelüste gegen Spanien zur Sprache. "Gibraltar hat den gleichen Stellenwert für die Briten wie die Falklandinseln." Klare Ansage, denn diese verteidigte das Königreich mit geballter Waffengewalt, als Argentinien überraschend am 2. April 1982 die Inseln überrollte.
Am 15. Juni 1982 war der militärische Spuk vorbei und die Falkland Inseln weiter unter britischer Hoheit. Jetzt ist das Herz Ihrer Majestät bereit, "The Rock" gegen jede feindliche Übernahme durch die Spanier zu verteidigen. Premierministerin Theresa May erklärte sich nicht zu den Fantasien Michael Howards - dementierte sie allerdings auch nicht.
Und doch "vergaß" die britische Regierung in der Downing Street Nr. 10 Gibraltar in die Brexit-Vereinbarungen aufzunehmen. "The Guardian" kommentierte: "Theresa May mag den Status von Gibraltar [....] für unwichtig halten - die EU tut es nicht!" Ein Fauxpas, der Theresa May noch übel aufstoßen wird. Wie erklär ich's meinen Briten? Theresa in deep troubles.
Spanien wird auf internationales EU-Recht pochen, dem Großbritannien nach dem Brexit nicht mehr lange untersteht. Das angebotene Vetorecht gibt der spanischen Regierung zusätzlichen Spielraum, Gibraltar wieder zu spanischem Hoheitsgebiet werden zu lassen. Na darauf einen Tee mit Sherry. Olé und bye-bye.
Die Autorin: Cornelia Bremer (Bielefeld *1959) hat seit knapp 20 Jahren einen Koffer in Südspanien. Ihre Eltern leben an der Altlantikküste zwischen Vejer de la Frontera und Tarifa. Andalusien: Inbegriff von Sonne, Strand und Stierkampf: "Ich liebe die Weite dieses Landes, die Berge und kleinen Dörfer mit ihren malerischen Hinterhöfen."
Gibraltar hat sie auch besucht. "Pulsierend und "very british!" Nur die Seilbahn zum Top of the Rock ließ sie aus. Heute lebt sie mit ihrer jüngsten Tochter, zwei Hunden und zwei Katzen in Erftstadt.