Gaita: Spaniens Dudelsack
Wer hat wann die erste Gaita gebaut? Ist sie ein volkstümliches Holzblasinstrument galicischer Schaf- und Ziegenhirten Nordspaniens? Oder ein mittelalterliches höfisches Instrument? Ihr Sound jedenfalls erinnert an irische und schottische Dudelsackmusik. Und tatsächlich ist sie im keltisch geprägten Asturien und Galicien höchst beliebt. Musiker wie Susana Seivane sind mit ihrer Gaita und ihrer Folkmusik sogar längst weit über Spanien hinaus bekannt.
von Brigitte Borchert
Man verbinde ein Aufblasrohr mit Durchlassventil über einen Verbindungsring mit einem luftdichten Sack. Gebe dann zwei Bordunpfeifen in den Stimmlagen Bass und Tenor hinzu. Füge ein Spielrohr mit Grifflöchern und einige Rohrblätter bei (früher aus Schilf, heute aus Plastik oder Metall). Stimme die Spielpfeife, um eine Oktave oder Quinte versetzt, auf die beiden Bordune. Und fertig ist die galicische Gaita.
Dies ist die vereinfachte Bauanleitung des handgefertigten Holzblasinstrumentes. Es ähnelt einem Dudelsack (mit weniger Pfeifen) und hört sich auch so an. Auf der Spielpfeife greift der Spieler die Grifflöcher, eine hohe Melodie erschallt. Der Luftsack bleibt konstant gedrückt und aus den Bordunen dröhnt tiefes sattes Dauerbrummen. Die Mehrstimmigkeit ist das Besondere an dem Instrument: tiefe Dauertöne, die durch die einzelnen schrillen Töne der Spielpfeife zerschnitten werden.
Gaita: einst ein Hirtenrohr
Der Luftsack war zunächst ein Tierbalg aus Schaf- oder Ziegenleder, abgedichtet mit Wachs, Wollfetten oder Olivenöl. Heute ist er doppelwandig und besteht aus Gore-Tex®, Leinen und Synthetik-Textilien: pflegeleicht, haltbar und in verschiedenen Farben erhältlich.
Die Pfeifen sind aus Obstbaumhölzern oder edlen Harthölzern wie Cocobolo, Grenadillo, Veilchenholz, Buchsbaum. Dazu kommen die gedrechselten und verzierten Pfeifen. Und an der großen Bordune (Basspfeife) baumelt eine Schmuckquaste.
Musikinstrumente für 1200 Euro
Verbindungsringe bestehen aus Kunststoffen, Metallen und sogar Silber. Der Luftsack ist oft verziert und mit Samt überzogen.
In Deutschland in kleinen Handwerksstätten gefertigt kostet sie ab 1200 Euro aufwärts, gebrauchte immerhin noch rund 800 Euro. Handgefertigt mit einer individuellen Note versehen ist der Preis schnell nach oben offen. So kosten die Gaitas des berühmtesten Sackpfeifenproduzenten Spaniens, Seivane, bis zu 4000 Euro.
Spezielle Dudelsackschulen
In den nordspanischen Regionen Galicien und Asturien ist sie weit verbreitet. In speziellen Schulen sollen schon mehr als 10.000 eingetragene Spieler zu Profis geworden sein. Dokumentiert wird die Bekanntheit in einem „Muséu de la Gaita“ in der asturischen Stadt Gijón.
In Deutschland erklingt die „Sackpfeife“ gelegentlich auf Mittelalterfesten. Es gibt wenige in Deutschland, die Gaitas bauen. Und wenige Seminare, die das „Dudeln, Tuten oder Blasen“ und das Stimmen des Instrumentes vermitteln. Sackpfeifen - oder auch Bockpfeifen genannt - hielten im Mittelalter Einzug in die höfische Musik. Davor war es das Instrument der Gaukler, der Ziegen- und Schafhirten und des einfachen Volkes.
Gaita-Stars Seivane und Núñez
In der heutigen deutschen Musikszene hatte die Sackpfeife bislang kein Gewicht. Doch das ändert sich langsam dank zweier Musiker: Carlos Núñez und Susana Seivane, Musikerin und Tochter einer alten galicischen Pfeifenbauer-Dynastie.
Susana ist aufgewachsen mit diesem Instrument und spielt es virtuos und leichtfüßig. Sie trägt das Spielrohr locker vor ihrer Brust und ihre Finger fliegen schnell über die Grifflöcher. Sie interpretiert die keltischen Klänge vergangener Volksweisen modern und vermischt sie mit Anteilen aus Flamenco und spanischer leichter Volksmusik.
Der durchdringende Sound der Gaita erhält im Zusammenspiel mit anderen Instrumenten wie Gitarre, Mandoline und Akkordeon erst seinen unverwechselbaren Wohlklang.
Mitschnitt großer Livekonzerte
Wer ein Profiinstrument der Meisterwerkstatt bislang nicht live hören konnte, kann Livemitschnitte der Konzerte von Susana auf YouTube verfolgen.
Vor einigen Jahren promotete sie auf ihrer Homepage ihre DVD Susana Seivane e amigos, 2015: Mitschnitt des großen Live Konzert des Maria Pita Fest in A Coruña 2012.
Musik der herben Seele Galiciens
Trotz aller Modernität der neu aufgelegten spielerischen Gaita-Musik voller Konzertsäle, passt die „Kelten-Pfeife“ aus uralter Zeit in das autonome Antlitz Galiciens. Die Region ist selbständige Gemeinschaft seit 1981 und hat Spanisch und Galicisch als Amtssprachen.
Zur Historie: der Keltenstamm „Gallaeker“ durchmischte sich mit dem Spanier während des Altertums und somit kam das Galicische dazu. Galicien ist dünn besiedelt. Viel Agrarwirtschaft und Viehzucht, Fischerei und Muschelfang. Bergiges Land, Steilküsten und Eukalyptuswälder. Die Sommer sind kühl, die Winter mild, es ist eine schroffe Region mit Seele.
Von Ferne dringt ein sonores Brummen mit einer tragenden hellen Melodie über den Bergrücken: Ein Gefühl von Freiheit und unverfälschter Natur und Einfachheit durchdringt mich. Sehe die Kargheit und das arme Leben mit anderen Werten, Emotionen und Gesetzen. Die Gaita als „Sinnbild oder Charakter“ dieser Landschaft hat lange überlebt und hat ihren besonderen Platz in dieser Region.