Der Märchen-Schatz: Ein Buch für Kinder
Der Märchenschatz heißt auf Spanisch el tesoro de cuentos und ist ein zweisprachiges Kinderbuch mit 15 Geschichten aus Spanien und Lateinamerika aus dem Verlag Amiguitos. Herausgeberin ist die Verlegerin selbst. Claudia von Holten hat die Epen und Erzählungen gemeinsam mit Juliane Buschhorn-Walter sorgfältig aufbereitet, die rund 100 Illustrationen stammen von Tania Schvindt.
Neben den spanischen Märchen etwa vom Ritter Cid (arabisch: Der Herr) und den Liebenden von Teruel (Stadt in Aragonien) sind die Erzählungen aus Mexiko, Kolumbien, Chile, Venezuela und Argentinien interessant, welche zunächst mündlich überliefert worden sind.
Dazu kommen drei eigene Geschichten gleich zu Beginn des Bandes. Die Zusammenstellung überzeugt und ist nicht nur für kleine Leser geeignet. Denn am Ende jeder Geschichte gibt es eine thematische Einordnung für die Eltern.
Von Schildkröten und Sonnenaufgängen
Die Märchen aus Lateinamerika und Spanien haben jeweils einen faszinierenden Hintergrund. Mal geht es um eine Kröte, mal um den Teufel, mal um eine maurische Prinzessin. Neugierige wird das Buch inspirieren.
Kleine Detektive finden die Fabeln im Buch, auch wenn die Inhaltsangabe vorne im zweisprachigen Band ein paar Zahlendreher hat. Und große Detektive bekommen wahrscheinlich schnell Lust, den Märchen auch vor Ort auf den Grund zu gehen.
Für Spaniens Märchen bedeutet das: Sie spielen an einem berühmten Ort wie der Alhambra in Granada (Die drei Prinzessinnen), aber im eher unbekannten Ort Teruel im Aragón (Die Liebenden).
Auch die jeweiligen Hintergründe unterscheiden sich deutlich: Das Märchen vom Esel Platero ist tatsächlich ein Märchen. Das Epos vom Ritter El Cid basiert auf ganz realen Fakten und die Liebenden sind nach einem erstaunlichen Fund entstanden: In Teruel sind die Gebeine eines Paares aus dem Mittelalter schon im Jahr 1708 in einem Totenschrank aufbewahrt worden. Das hat die Phantasie der Anwohner gehörig angeregt.
Die Märchen aus Lateinamerika wiederum drehen sich eher um den Kosmos. Der Herr des Lichts beispielsweise ist eine Überlieferung der Warao-Ureinwohner im Orinoco-Delta in Venezuela. Und was für eine.
Da wirft der Vater für seine jüngste Tochter eine Schildkröte in Richtung Sonne. Und dann wörtlich im Buch: "Seitdem bewegt sich die Sonne beim Sonnenaufgang langsamer, im Gleichschritt mit der Schildkröte."
Das ist nicht Aschenputtel, auch nicht Räuber Hotzenplotz, schon gar nicht Hänsel und Gretel. Die Verlegerin bringt es auf den Punkt: "Diese Märchen spiegeln die aus deutscher Sicht andere Moralvorstellung im hispano-amerikanischen Kulturraum wider."
Fazit
Das Kinderbuch ist ein sinnvolles Geschenk für Kinder und Erwachsene mit Bezug zu Spanien und Lateinamerika. Die Texte auf Deutsch und Spanisch sind gut verständlich, die einordnenden Zugaben bieten Tiefgang und die Illustrationen überzeugen.
Autor dieses Textes: Tobias Büscher
