Pflichtverteidiger in Spanien

Was verdienen spanische Pflichtverteidiger? Und warum gibt es immer weniger? Auch in Spanien gilt: Wer sich keinen Anwalt leisten kann, bekommt einen Pflichtverteidiger an die Seite gestellt. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit für Menschen ohne genügend finanzielle Mittel. Doch die Bezahlung dieser Abogados de Oficio ist ungerecht und die Alterssicherung ein erhebliches Problem. Der spanische Anwalt José Segura spricht in diesem Beitrag sogar von Sklaverei.

von Tobias Büscher

Die Pflichtverteidigung in Spanien regelt das Gesetz 1/1996 zum Thema Prozesskostenhilfe (Ley de Asistencia Jurídica Gratuita), das Bezahlsystem erfolgt in Zusammenarbeit zwischen dem Justizministerium, den regionalen Anwaltskammern und lokalen Behörden.

Das weiß auch Anwalt José Segura aus Nordwestspanien (siehe Interview unten), der als Pflichtverteidiger gelistet ist und Mitglied der Anwaltskammer ist. Er wird nicht nach Stundenlohn bezahlt, sondern nach festen Sätzen, und die variieren je nach Spaniens autonomer Region (insgesamt 17).

Im Bereich des Strafrechts erhalten Pflichtverteidiger beispielsweise für die Vertretung in einem Ermittlungsverfahren, bei einer Anhörung oder vor Gericht jeweils eine Pauschale.

Im Zivilrecht verdient Segura nur gut 300 Euro pauschal, was im europäischen Durchschnitt sehr wenig ist. Ein Pflichtverteidiger in Madrid erhält für ein durchschnittliches Strafverfahren etwa 300 bis 350 Euro, in Katalonien sind es je nach Verfahrenstyp zwischen 250 und 500 Euro.

Das ist ein krasser Unterschied beispielsweise zu den USA: Dort bekommen schon blutjunge Pflichtverteidiger vom Staat ein Jahresgehalt ab 45.000 Euro. 

Anwälte wie Segura aus A Coruña arbeiten also nahezu "ehrenamtlich" für die gute Sache, und könnten ohne private Mandante finanziell nicht überleben. Viele Juristen verlangen daher eine Anpassung der Sätze und eine raschere Auszahlung, auch zeigen Demonstrationen von Anwälten in Spanien immer wieder, dass nicht nur das Honorar gering ist, sondern auch die spätere Rente für Anwälte.

Wie wichtig fairere Honorare wären, zeigt auch das Alter der Pflichtverteidiger in Spanien. Laut El País sind sie im Schnitt über 50 Jahre alt und junge Anwälte sind kaum noch für den Job zu begeistern, da sie in erfolgreichen, großen Anwaltskanzleien erheblich besser verdienen.

Fragen an den Anwalt José Segura

José, wie wird der Protest gegen unfaire Bezahlung organisiert?

Die Proteste und Demonstrationen werden von verschiedenen Anwaltsverbänden organisiert, wie beispielsweise der Plattform MAREA NEGRA GALICIA, der Gewerkschaft VENIA und anderen Plattformen aus diversen Autonomen Gemeinschaften Spaniens.

Wie wichtig ist die Arbeit der Pflichtverteidiger?

Es ist wichtig, als Pflichtverteidiger zu arbeiten, weil ich an den Rechtsstaat glaube und Menschen ohne finanzielle Mittel verteidigen möchte. Damit sie sich gegen große Unternehmen, Reiche oder die Staatsverwaltung wehren können.

Dies ist gemäß der spanischen Verfassung eine Pflichtleistung. Das bedeutet: Nach Artikel 31 des Königlichen Dekrets 135/2021 sind zugelassene Rechtsanwälte verpflichtet, ihnen übertragene Mandate anzunehmen und auszuführen, sofern kein berechtigter Grund zur Ablehnung vorliegt. Das soll die unentgeltliche Rechtsberatung für mittellose Menschen sicherstellen.

Ich bin dafür, dass arme Menschen ohne finanzielle Mittel Anspruch auf einen kostenlosen Anwalt haben, kostenlos für den Bürger. Aber der Anwalt, der diese Dienstleistung erbringt, muss diese Arbeit nicht kostenlos oder für sehr wenig Geld erledigen, sondern muss die gleiche Vergütung erhalten wie für einen privaten Mandanten.

Und es sind der spanische Staat und die Autonome Gemeinschaft Galicien, die den Anwalt bezahlen müssen.

Nicht oder nur sehr wenig für spezialisierte Arbeit zu bezahlen, ist eine Form der Sklaverei. Zusätzlich müssen Anwälte die gleichen sozialen Rechte wie andere Arbeitnehmer erhalten, wie Sozialversicherung, Urlaubsanspruch, Krankengeld.

Das sind Rechte eines Sozial- und Rechtsstaates. Und nicht eines Staates, der von der Arbeit der Anwälte ohne Kosten oder auf Kosten von Sklavenarbeit profitiert. Schluss mit jeder Form von Sklaverei und Ausbeutung durch öffentliche Institutionen.

Wie sparen Pflichtverteidiger für das Alter?

Es ist sehr schwierig, für den Ruhestand zu sparen, weil der Staat einen unlauteren Wettbewerb mit den Anwälten betreibt, die verpflichtet sind,  den öffentlichen Dienst der unentgeltlichen Rechtshilfe zu leisten.

Der spanische Staat erweitert das Recht auf Prozesskostenhilfe zunehmend auf mehr Menschen und soziale Gruppen. Frauen, die Gewalt erleiden, oder Umweltverbände haben beispielsweise Anspruch auf einen kostenlosen Anwalt.

Und auch die reichste Frau Spaniens, Marta Ortega, Eigentümerin von ZARA, hat Anspruch auf einen kostenlosen Anwalt, einen Pflichtverteidiger, der 300 € erhält. Das ist ungerecht.

Wir sind genauso wichtig wie Schullehrer, Uni-Professoren, Ärzte und Krankenschwestern im öffentlichen Gesundheitswesen. Wir wollen die gleichen Rechte und eine angemessene und proportionale Bezahlung, keine Unterbezahlung und keine Sklaverei.

Wie lautet Dein Fazit zur Lage der Anwälte wie Dich?

Wir Pflichtverteidiger sind ein ÖFFENTLICHER DIENST. Wir verdienen weniger Geld, weil es weniger Kunden auf dem freien Markt gibt und mehr Kunden, die Anspruch auf Prozesskostenhilfe haben. Entsprechend können wir auch kaum für unsere Rente sparen.

Anmerkungen des Autors

Den Anwalt José Segura kenne ich seit vielen Jahren, er spricht übrigens fließend Deutsch und vertritt in Spanien auch Deutsche, die ihren ersten Wohnsitz in Spanien haben. Im August 2025 hat er zudem eine Analyse zu den Waldbränden in seiner Heimatregion Galicien verfasst,

Nach oben