La Palma und seine Einwanderer
Naturfreunde, Kulturbegeisterte und Lebenskünstler lieben La Palma, die drittkleinste Insel der Kanaren.
von Michaela Arlinghaus
Schwarzwälder Kirsch, Russischer Zupfkuchen, Linzer Torte, Frankfurter Kranz –schon beim Anblick läuft einem das Wasser im Munde zusammen. Die Theke ist umringt von Leckermäulern, die geduldig anstehen, bis sie an der Reihe sind. Hinter der Theke bedient Werner Schimeck.
Geschickt platziert er die Tortenstücke aufs Tablett, packt ein, kassiert und wendet sich mit einem Lächeln dem nächsten Kunden zu. Die vielen Köstlichkeiten stehen nicht etwa in einer erlesenen Konditorei, sondern auf dem Bauernmarkt in Puntagorda, einem kleinen Ort im Nordwesten von La Palma.
Vom Schwarzwald nach La Palma
Und Werner Schimeck ist keineswegs Konditor. Der 66-Jährige war im Schwarzwald Innenarchitekt, bevor er sich vor 14 Jahren auf der kanarischen Insel mit dem Kuchenbacken eine Existenz aufbaute. „Es war das milde Klima, das mich herzog. Das Backen von Torten habe ich mir mit einfachen Mitteln selbst beigebracht“, erinnert sich Schimeck.
Nahe dem kleinen Dorf Las Tricias lebt und arbeitet der Vater in einer ehemaligen Mühle. „Rund 60 Kuchen backe ich jede Woche. Der Renner ist die Engadiner Walnusstorte, eine Spezialität, die ich aus dem Schwarzwald mitgebracht habe“, schwärmt der selbsternannte Zuckerbäcker.
Erst Hippies, dann Karrieristen
Die meisten europäischen Einwanderer auf der Kanareninsel sind Deutsche. Waren es in den sechziger, siebziger Jahren die Aussteiger der Hippiebewegung, die in den Höhlen der einstiegen Ureinwohner, in selbstgebauten Hütten oder an einsamen Buchten ihr Glück suchten, so sind es heute ausgebrannte Karrieristen, die auf der drittkleinsten Insel der Kanaren nach mehr Ruhe und Ausgeglichenheit streben.
Viele von ihnen erhoffen sich eine neue Existenz. Der moderne Aussteiger vermietet Gästebetten, renoviert Häuser, kreiert Schmuck oder backt Schwarzwälder Kirchtorte.
La Palma – die Isla Bonita
Auf der wasser- und waldreichsten Insel des kanarischen Archipels ist die Landwirtschaft Haupteinnahmequelle der Palmeros. Deshalb hat sich die isla verde (grüne Insel), wie sie die kanarischen Nachbarn anerkennend nennen, erst später und wesentlich sanfter dem Tourismus geöffnet.
Bei gleich bleibenden Frühlingstemperaturen bietet die Insel mit einem rund 850 Kilometer gut ausgebauten Wanderwegenetz das ganze Jahr über vor allem Naturfreunden und Aktivurlaubern ein ideales Klima.
Auffällig sind die Naturvielfalt und die Kontraste der Insel: hohe Gebirgszüge von fast 2500 Meter Höhe und kraterartige Vulkanlandschaften, tief eingerissene Schluchten und schroffe Steilküsten, ausgedehnte Kieferwälder und Reste von tertiären Lorbeerwäldern oder Jahrhunderte alte Drachenbäume. Hinter jeder Biegung, von jeder Anhöhe ist ein Panoramablick garantiert und fast immer unverstellt auf den Atlantik.
Das Höhlenleben der Vorfahren
Besonders stolz sind die Palmeros auch auf die Kulturgeschichte ihrer isla bonita, die schöne Insel. Die ersten Einwanderer kamen 2.000 vor Christus aus Nordafrika.
Die Altkanarier, die seit ihrer Eroberung durch die Spanier auch Benahoaritas, benahoare (mein Land) heißen, lebten in Wohnhöhlen, die an vielen Stellen der Insel heute beliebte Ausflugsziele sind. Ende 2009 hat die Inselregierung die Eröffnung eines weiteren von jetzt drei Themenparks beschlossen, in denen das Leben und Überleben der frühen Inselbewohner studiert werden kann.
Im Atelier von Ramón Rodriguez
Zahlreiche Fundstücke aus dieser Zeit hat Ramón Rodriguez mit seiner Frau Vina genauer untersucht. In einer ehemaligen Mühle, fertigen die Kunsthandwerker Schüsseln und Schalen nach prähistorischem Vorbild an. Rodriguez führt Besucher gern durch sein Atelier und lässt sich bei der Arbeit über die Schulter schauen.
„Wir bearbeiten den schwarzen Ton ohne Drehscheibe mit den Werkzeugen, die auch damals verwendet wurden und verzieren die Reproduktionen mit einem Holzspachtel“, erklärt Rodriguez. Seine Töpferwerkstatt El Molino ist auch Ausstellungsraum für zahlreiche archäologische Fundstücke, die teilweise auf 800 bis 900 Jahre geschätzt werden.
Keramik, Kirsch & Kunst
Dass die Palmeros das traditionelle Kunsthandwerk schätzen und pflegen, zeigt sich an zahlreichen Stellen der Insel. In Mazo, wenige Minuten von der Keramikmühle entfernt, gibt es eine Kunsthandwerkerschule, das Museum Casa Roja dokumentiert die alljährliche Fronleichnamsprozession und stellt traditionelle Stickereien aus.
In unmittelbarer Nachbarschaft, auf dem Bauernmarkt von Mazo, zeigen Frauen die alte Sticktechnik, mit der noch heute Trachten, Aussteuer, Tischdenken aufwendig verziert werden. So viel Kunst macht hungrig. Im unteren Geschoss der Markthalle bieten Händler kulinarische Köstlichkeiten feil: Marmeladen, Mandelmus, Wein, Ziegenkäse, Avocados. Oder eben ein Stück Schwarzwälder Kirsch, das Maria – Kollegin des Zuckerbäckers aus Puntagorda – den Besuchern schmackhaft auf der Hand serviert.
Teil 2: Praktische Tipps zu La Palma
Text: Michaela Arlinghaus