Vegetarische Küche in Spanien: ¿Será posible?
Spanien Vegetarisch lautet der Titel eines neuen Kochbuchs. Es zeigt den Einfallsreichtum der fleischlosen iberischen Küche und ist im Brandstätter Verlag erschienen. Unsere Autorin hat das Buch für Sie getestet.
von Marion C. Schmidt
Spanische Küche, das ist für die meisten Touristen Paella, Sangria, Tortilla und Tapas aus Fleisch, Fisch und Meeresfrüchten. Ein Laster voller Tomaten, viel Safran, ein Schuss Olivenöl: fertig ist der authentisch spanische Gaumengruß!
Doch die Iberen können entgegen aller Erwartungen auch ohne Jamón, Chorizo, Gambas, Bacalao (Stockfisch), Cordero (Lamm) und Conejo (Kaninchen). Platos vegetarianos zwischen Murcia und Santander, von Pamplona bis Santiago de Compostela und auf den Balearen und Kanaren sind pfiffig und abwechslungsreich.
Die Rezepte in den traditionellen und modernen Kochtöpfen der Aragonier, Basken, Galicier und Katalanen entstammen einem bunten Potpourri aus kulturellen und geographischen Einflüssen.
In Spanien geht’s bemerkenswert gut ohne Fleisch und auch vegan. Und manche Köche benötigen noch nicht mal Tomaten, Safran und Olivenöl. Wer hätte das gedacht?
150 vegetarische Rezepte
Den Band der Herausgeberin Katharina Seiser hat Rezeptlieferantin Margit Kunze verfasst, die seit 1985 in Calpe nahe Alicante lebt. Das Buch enthält 150 Rezepte.
Nicht alle kommen mit Bild, dafür aber ausnahmslos mit kurzer Erklärung, oft mir Abwandlungen und Kombi-Empfehlung. Wie auch in ihren früheren Büchern verteilt sich der Inhalt auf fünf Kapitel: die vier Jahreszeiten und „Jederzeit“.
Artischocken und Mauren-Mangold
Mangold, Artischocken, Kartoffeln, Kichererbsen, Tomaten, Auberginen, Paprika, Eier, Orangen und Kräuter. Arabisches Flair der Mauren. Ein Hauch Frankreich und Portugal. Diese Zutaten findet man in jedem Kapitel von Spanien Vegetarisch, in bekannten Gerichten und ungewöhnlich kombiniert.
Die vegetarische spanische Küche ist so viel mehr als Viererlei. Ich entdecke neue Gemüse- und Obstsorten: Nespoli (nísperos), Karden (cardos), Salicorne (salicornia) und dass es jede Menge spanischer Käse gibt, von denen ich noch nie etwas gehört habe.
Vorweg, die Klassiker: Aioli, Kartoffeln mit scharfer Tomatensoße, spanische Tortilla (mit idiotensicherer Anleitung, für einen authentischen Geschmack!), Champignons mit Knoblauch, gefüllte Datteln, Aprikosen und Paprika, Paella, Crema Catalana, Sofrito und Churros.
Im Frühling: Spinatkroketten mit Blauschimmelkäse, Spargel mit Käseknusper aus Idiazábalkäse, Linsensalat mit Erdbeeren, Kräutertarte mit 600g (!) Kräutern, viele Risotti und Eintopfgerichte. Im Sommer, eine Flut Röstgemüse, confierte Tomaten, grüner Gazpacho. Dann die Kracher: das spektakuläre Mallorquinische Tombet.
Grantinierter Ziegenkäse, Rührei mit Trüffeln
Dem Tombet folgt ein mit Thymian gewürzter, majestätisch wirkender Auberginenkuchen.
Im Herbst gibt‘s Toast mit gebratener Birne und Honig, etliche Auflagen von Kürbis- und Hülsenfrüchtengerichten aus Ofen und Pfanne.
Im Winter, Raffiniertes aus Linsen, Süßkartoffeln, Kastanien und Pilzen. Oder gratinierter Ziegenkäse, Rührei mit Trüffel, eine Katzensuppe (denn: cat content sells!) und Galicische Crêpes. Für den süßen Zahn gibt‘s Safran-Olivenöl-Eis mit Kiwimark, gebratene Persimonen mit Honig, Quittenspeck, Pfannkuchen mit pochierten Feigen, Orangensalat mit Datteln und Mandeln oder Roscos de Vino (Weinkringel) und Bananenflan.
Wenn sich das nicht wie Urlaub liest?
Muy buena pinta, sagen Eva und Meri
Die Meinung einer Ausländerin zählt nie so viel wie die eines – oder noch besser: zwei! – landeseigenen Experten. Die Spanierinnen Meri aus Valencia und Eva aus dem katalanischen Lérida, Besucherinnen einer Veranstaltung im Deutsch-Spanischen Kulturverein Antonio Machado, gönnen dem Buch einen kritischen Blick. Ihr Prädikat: Muy buena pinta!
Eva gefielen die Weinempfehlungen. Sie hat jetzt Hunger auf Buñuelos de Calabaza (Kürbiskrapfen) und Churros (die bisher probierten Kölner Versionen überzeugen sie nicht vollständig).
Meri fand Inspiration für schnelle und gesunde Gerichte und empfiehlt den katalanischen Kartoffel-Wirsingkohl-Kuchen auf Seite 181, sowie den Linsen-Reis nach Maurischer Art, den sie erst gestern zum Abendessen gekocht hat.
Sie kannten die meisten Gerichte und fanden die Zusammenstellung in „Spanien Vegetarisch“ facettenreich und gelungen. Klar, es gab ein paar Rezepte, die sie nicht kannten, aber diese schienen ihnen zumindest authentisch mediterran. Und lecker sowieso.
Rezept-Reise von Mallorca ins Baskenland
„Spanien Vegetarisch“ reiht sich originalgetreu lecker in den Guss der Vegetarisch-Reihe des Verlags. Gut geschriebene Rezepte mit einfachen Erklärungen, ein schönes Food-Styling, dass den Augen Ruhe und Harmonie vermitteln. Ein krasser Gegensatz zur den derzeitigen Spannungen im Land.
Die leckeren Gerichte und die vielen Aromen und Texturen hat Margit Kunze sorgsam herausgearbeitet. Das Buch liefert eine wunderbare Atmosphäre, eine fast zufällige Abstimmung von bunten Farben und intensivem Geschmack, so dass man immer weiter blättern und vor allen Dingen weiter kochen möchte.
Ein kleiner Urlaub in der Küche. Heute Katalonien. Morgen Mallorca. Übermorgen das Baskenland. Das Konzept: immer denkbar einfach. Der Inhalt: vollwertig und gesund. Der Geschmack: zwischen frisch und aromatisch, mündiger Bescheidenheit und leidgeprüftem Stolz. Die vegetarische Küche des Reino ist großartig und elegant; so bunt und temperamentvoll wie die Spanier selbst. Buen provecho!
Details zum Buch
Margit Kunzke, Katharina Seiser (Hg.)
Spanien Vegetarisch
Christian Brandstätter Verlag, Wien
ISBN: 978-3-7106-0164-4