Buchrezension: Bildatlas Nordspanien & Jakobsweg
Der DuMont Bildatlas „Spanien Norden & Jakobsweg” ist kein klassischer Reiseführer. Vielmehr versteht sich das 2024 erschienene Werk als visuelle und thematische Annäherung an eine der bekanntesten Pilgerrouten Europas – mit journalistischen Texten von Tobias Büscher und atmosphärischen Fotografien des Wieners Toni Anzen- berger.
von Maria Soler
Selber war ich noch nie in Nordspanien, umso neugieriger hat mich dieser Bildatlas gemacht. Besonders auffällig ist der strukturierte Aufbau: Jede der Regionen, durch die der Jakobsweg führt – ob Baskenland, Kastilien, Kantabrien, Asturien oder Galicien – erhält ein eigenes Kapitel.
Dazwischen ergänzen sogenannte „Specials” den Inhalt mit kulturellen Highlights, Festen, kulinarischen Besonderheiten oder historischen Hintergründen. Das magazinartige Format lädt zum Blättern und Entdecken ein.
Inhaltlich bietet der Atlas eine große Bandbreite. Neben den bekanntesten Pilgerstationen werden auch weniger frequentierte Orte beleuchtet. Von kleinen Museen, lokalen Festen, Filmkulissen oder regionalen Modetrends, ist alles mit dabei.
Vor allem die Passagen, in denen Menschen aus der Region zu Wort kommen, lassen die Geschichten lebendig wirken. Der Autor Tobias Büscher schreibt dabei in einem erzählerisch-lockeren Stil, der dennoch informativ bleibt.
Balance zwischen Text und Bild
Toni Anzenberger verleiht dem Atlas eine harmonische Atmosphäre. Seine Fotografien erinnern an kunstvolle Postkarten: Weite Küstenabschnitte, verwinkelte Altstädte, Berglandschaften im Morgenlicht.
Wie diese Balance zwischen Text und Bild entstanden ist, erklärt Tobias Büscher:
„Der Bildatlas ist meine bislang spannendste Arbeit zu Nordspanien. Grund: Fotograf Toni und ich haben über Monate Hand in Hand zusammengearbeitet, und so passen Inhalte und Illustrationen einfach gut zusammen. Inzwischen kenne ich schon seine Familie und wir sind auch schon gemeinsam auf Lesereise unterwegs gewesen. Mit der Programmleiterin von DuMont."
Eher geeignet für erfahrene Spanienliebhaber
Trotz der stimmigen Gestaltung gibt es Aspekte, die hinter dem Anspruch eines zeitgemäßen Reisebildbands zurückbleiben. Die beigefügten Stadt- und Landkarten erfüllen zwar ihren Zweck, brechen aber mit dem modernen Magazinstil und erinnern eher an traditionelle Atlanten vergangener Jahrzehnte.
Auch die große Themenfülle erschwert den Einstieg. Eine klare Route oder empfohlene Reiserichtung, wo man zuerst anfangen soll, gibt es nicht. Für Reisende ohne Vorkenntnisse wirkt es daher schnell unübersichtlich.
Der Blick auf Nordspanien bleibt zudem auffallend unkritisch. Landschaften, Städte und Menschen werden beinahe durchgehend in idealisierten Momenten gezeigt – stets sonnig und freundlich.
Doch gerade in Zeiten zunehmender Touristifizierung, Umweltbelastung und sozialer Spannungen vor Ort wäre es wünschenswert gewesen, zumindest punktuell auch auf Herausforderungen hinzuweisen. Etwa auf überfüllte Strände in der Hochsaison, auf Müllprobleme an bekannten Pilgerstrecken oder auf den Druck, unter denen manche Regionen durch den Anstieg des Massentourismus stehen.
Schönheit statt Schattenseiten Nordspaniens
Ein Bildatlas kann nicht alles leisten, aber er trägt Verantwortung für das Bild, das er vermittelt. Wenn er ausschließlich positive Szenen zeigt, fehlt die Chance auf Sensibilisierung. Der Band reiht sich somit in die lange Liste touristischer Publikationen ein, die vor allem zeigen, wie schön ein Land ist und dabei vergessen, zu fragen, was man tun muss, damit es so bleibt.
Der Bildatlas ist vor allem für Leser geeignet, die gerne noch analog blättern, statt durch Reise-Apps zu scrollen. Durch die Informationsdichte und die klassische Printform wirkt der Band vertrauter für eine mittlere bis ältere Leserschaft, die mit genau dieser Form von Reisemedien aufgewachsen ist.
Wer gerne schmökert, visuell reist und sich für Hintergrundwissen interessiert, wird hier fündig. Als Inspirationsquelle funktioniert der Band – vorausgesetzt, man bringt Zeit mit, sich Seite für Seite in ein Land hineinzulesen, das eigentlich mehr ist als nur ein Reiseziel.
Infos zum Buch: Der Band ist als Heft im Magazinformat konzipiert, kostet 11,95 € und umfasst rund 120 Seiten voller Reportagen, Bilder und praktischer Tipps.
Die Autorin
Maria Soler stammt aus Peru, lebt schon viele Jahre in Bremen und hat einen Faible für soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz.