BCN Filmfestival startet in Barcelona
Kamera, Kultur, Katalonien: Das BCN Film Fest feiert vom 24. April bis zum 2. Mai 2025 den Film als Kunstform in Barcelona. Manche Städte leben Kino und Barcelona gehört zweifellos dazu. Wenn sich in den Straßen des Stadtviertels Gràcia das Licht verändert, wenn Projektoren erwachen und große Geschichten durch die Leinwände pulsieren, dann beginnt sie: die magische Zeit des BCN Filmfestes. Ein Festival, das sich auch 2025 nicht in den Schatten der ganz Großen stellt, sondern lieber in seine eigene Sonne.
Von Alina Brammer
Barcelona. Kataloniens Hauptstadt verwandelt sich vom 24. April bis zum 2. Mai 2025 erneut in einen cineastischen Treffpunkt voller Premieren, Persönlichkeiten und politischer Zwischentöne.
Zum bereits 9. Mal öffnet das BCN Filmfest seine Türen. Im Mittelpunkt steht dabei das traditionsreiche Cinemes Verdi, ein charmantes Kino im Herzen von Gràcia, das zum Zentrum des Festivals wird.
Dieses 1983 gegründete Lichtspielhaus hat sich als Bastion für unabhängiges und Originalversion-Kino etabliert und trotzt erfolgreich dem Trend zu kommerziellen Multiplexen.
Weitere Veranstaltungsorte reihen sich wie kleine Satelliten um diesen kulturellen Kern – ein Festival, das sich nicht auf roten Teppichen ausruht, sondern durch Nähe, Vielfalt und Bildung glänzen will.
Vater und Tochter: Debütfilm mit Witz und Wärme
In diesem Jahr schlägt das Festival gleich zu Beginn emotionale Töne an. „Un ‘like’ de Bob Trevino”, das Regiedebüt von Tracie Laymon, eröffnet die 9. Ausgabe.
Der US-amerikanische Film erzählt mit leisem Witz und ehrlicher Wärme die Geschichte einer Vater-Tochter-Beziehung, die durch eine Facebook-Verwechslung auflebt. Berührend, modern und gleichzeitig erstaunlich zeitlos. Barbie Ferreira, bekannt aus der Serie Euphoria, übernimmt die Hauptrolle, unterstützt von John Leguizamo.
Ein weiterer Höhepunkt ist die britische Schauspielikone Ralph Fiennes, der in Barcelona persönlich für sein Lebenswerk geehrt wird. Der Ehrenpreis des BCN Film Fest 2025 geht an ihn – verbunden mit der Vorstellung seines aktuellen Films „The Return“ unter der Regie von Uberto Pasolini.
Fiennes Auftritt ist nicht nur ein emotionaler Moment. Es ist ein deutliches Zeichen für die internationale Strahlkraft des Festivals.
Festivaltag als Hommage an den Anime-Film
Dass sich Barcelona bewusst als Bühne für kulturellen Austausch begreift, zeigt auch die Entscheidung, erstmals einen ganzen Festivaltag dem japanischen Anime-Film zu widmen. Am 1. Mai werden fünf ausgewählte Werke, darunter Klassiker und neue Produktionen, gezeigt.
Ein besonderes Highlight ist die Vorführung von „Detective Conan vs. Kid the Phantom Thief“, einem spannenden Aufeinandertreffen zweier ikonischer Figuren des Anime-Universums. Der „Anime Day“ hebt das Festival über die klassische Programmlogik hinaus und öffnet es für ein jüngeres, neugieriges Publikum.
Das Selbstbewusstsein des spanischen Films
Neben internationalen Stars werden auch spanische Schauspielgrößen erwartet. Carolina Yuste, die durch ihre Rolle in „Carmen y Lola“ bekannt wurde, und Milena Smit, die in Pedro Almodóvars „Madres paralelas" an der Seite von Penélope Cruz brillierte oder gemeinsam mit Mario Casas in „No matarás” auf der Leinwand erschien. Beide stehen beispielhaft für das selbstbewusste spanische Kino, das längst auf der ganzen Welt angekommen ist.
Ebenso angekündigt: Richard Gere, der mit seinem Dokumentarfilm „Sabiduría y felicidad” (Wisdom of Happiness) anreist, einer Produktion über die spirituellen Lehren des Dalai Lama.
Der gefeierte Regisseur Ferzan Özpetek, geboren in Istanbul und seit Jahren in Italien tätig, wird erneut in Barcelona präsent sein. Özpetek, bekannt für Filme wie „Hamam – Das türkische Bad” und „Die Ahnungslosen“, bringt seine einzigartige Perspektive mit dem Film „Diamanti” in die europäische Filmszene ein.
„Über das Kino im Kino nachdenken“
Organisiert wird das Festival vom Team der Cinemes Verdi, unter der Leitung der Filmkritikerin Conxita Casanovas, die das Festival moderiert. Casanovas, eine bekannte Stimme im spanischen Filmjournalismus, ist für ihre tiefgehenden Analysen und ihre Leidenschaft für das Kino geschätzt. Ihre Präsenz verleiht dem Festival eine besondere Note und zieht sowohl Fachpublikum als auch Filmbegeisterte an.
Auf der offiziellen Website des BCN Filmfestes erklärt Conxita Casanovas:
"Indem wir uns das ikonische Bild von Mastroianni, Fellinis Alter Ego in ‚Fellini 8 ½‘, zunutze machen, werden wir uns erlauben, über das Kino im Kino nachzudenken, mit Ferzan Özpeteks ‚Diamanti‘, oder über Kreation und Interpretation mit ‚Die göttliche Sarah Bernhardt‘. Wir werden eine breite Palette an hochaktuellen Themen auf den Tisch bringen, wie z. B. die Bewältigung einer Trennung, wirtschaftliche Unsicherheit oder Vaterschaft. Wir werden unsere Verbindung zur Literatur stärken und uns zwischen den Werken von Jane Austen oder Nabokov und den Ratschlägen des Dalai Lama an die Bedeutung von Bildung und Kultur für die Verbesserung unseres Lebens erinnern.”
Ihre Vision ist ein Kino, das elitär und offen zugleich ist – für Geschichten, für Gesichter und für Gedanken. Mit insgesamt 84 Filmen im diesjährigen Programm, darunter 17 Weltpremieren und 19 Spanien-Premieren, unterstreicht das BCN Film Fest seinen Anspruch, mehr zu sein als bloß ein weiteres Festival im Kalender.
Eine der herausragenden spanischen Premieren ist der Film „Les irresponsables” von Laura Mañà, der als Abschlussfilm gezeigt wird. Es ist eine Einladung, Film als Kultur zu begreifen und als Erlebnis, das verbindet.
Die Geburtsstunde des BCN Film Fest
Das Festival Internacional de Cine de Barcelona-Sant Jordi, kurz BCN Film Fest, hat sich seit einigen Jahren in Barcelona, einem der kulturellen Zentren Spaniens, etabliert.
Die Wahl des Zeitraums, viel bewusst auf die Woche rund um den 23. April, dem Tag des heiligen Georg (Diada de Sant Jordi), ein bedeutendes katalanisches Fest, das Büchern und Rosen gewidmet ist.
Diese zeitliche Nähe unterstreicht die literarische Ausrichtung des Festivals und betont die Symbiose von geschriebenem Wort und bewegtem Bild.
Die Geburtsstunde des Festivals schlug vom 21. bis 28. April 2017 in den Cinemes Verdi, im Herzen des Viertels Gràcia. Die Eröffnungsgala wurde von keinem geringeren als Richard Gere beehrt, der seinen Film „Norman: The Moderate Rise and Tragic Fall of a New York Fixer” vorstellte.
Diese prominente Anwesenheit unterstrich von Beginn an den internationalen Anspruch des Festivals. Zum Vergleich: Das international berühmte Filmfestival in San Sebastián existiert bereits seit 1953.
Hinter der relativ jungen Gründung standen die Köpfe von Educacine und Espectarama, den Betreibern der Cinemes Verdi. In den folgenden Jahren entwickelte sich das BCN Film Fest stetig weiter.
Es etablierte Sektionen wie „Cinema amb Gràcia”, die humorvolle Werke präsentiert, oder „Zona Oberta”, die Raum für besondere Vorführungen außerhalb des Wettbewerbs bieten. Die „Sección Oficial” blieb dabei immer das Herzstück, in dem Filme mit literarischem oder historischem Bezug gezeigt wurden.
Ein bemerkenswertes Beispiel für die thematische Ausrichtung des Festivals ist der Film „La importancia de llamarse Oscar Wilde” von Rupert Everett, der 2019 auf der Leinwand war.
Der Film schildert die letzten, bitteren Jahre des legendären Schriftstellers Oscar Wilde und fängt mit melancholischer Eleganz seinen scharfsinnigen Humor ein, seinen inneren Zerfall und das gesellschaftliche Stigma, das ihn bis in den Tod begleitete.
Mit jeder Ausgabe festigte das BCN Film Fest seinen Ruf als Plattform, wo Filme gezeigt und kultureller Dialog gefördert werden. Es wurde zu einem Treffpunkt für Cineasten, Literaturliebhaber und Geschichtsinteressierte, die gemeinsam die Magie des Erzählens in seinen vielfältigen Formen feiern.
Stars, Preise, Premieren: Was das Festival auszeichnet
Zu den prestigeträchtigen Auszeichnungen des Festivals zählen der Preis für den Besten Film, die Beste Regie, für den Besten Schauspieler und die Beste Schauspielerin sowie der Festival Castell de Peralada Preis für die Beste Filmmusik.
Diese Kategorien erinnern an die Struktur der Oscar-Verleihung in den USA, was die universelle Anerkennung in der Filmwelt widerspiegelt. Solche Einteilungen ermöglichen es, verschiedene Aspekte der Filmkunst gezielt zu würdigen und schaffen eine Vergleichbarkeit zwischen Festivals.
In der Vergangenheit wurden zahlreiche spanische Schauspielerinnen und Schauspieler für ihre Leistungen gefeiert. Ein Beispiel ist Mercedes Sampietro, die 2020 als Präsidentin der Jury fungierte. Sampietro, bekannt für ihre Rollen in Filmen wie „Lugares Comunes” und „Extramuros”, brachte ihre umfangreiche Erfahrung in das Festival ein.
Ein wiederkehrendes symbolisches Element des Festivals ist auch die Ehrung von internationalen Filmschaffenden für ihr Lebenswerk. 2024 erhielt beispielsweise der US-amerikanische Regisseur Richard Linklater den Ehrenpreis des BCN Film Fest für seine Verdienste um die Filmkunst.
Linklater erlangte internationale Bekanntheit mit Filmen wie „Boyhood“ (2014), einem einzigartigen Projekt, das über zwölf Jahre hinweg gedreht wurde und das Aufwachsen eines Jungen authentisch einfängt. 2024 präsentierte er dort seinen Film „Hit Man”.In diesem Jahr (2025) wird auch wieder ein internationaler Gast mit dem Ehrenpreis ausgezeichnet.
Man kennt ihn als furchteinflößenden Lord Voldemort aus Harry Potter, als überzeugter Amon Göth in Schindlers Liste, als melancholischer Diplomat in Der englische Patient und als cholerischer Hotelmanager in Grand Budapest Hotel – der britische Schauspieler Ralph Fiennes. Beim BCN Film Fest 2025 präsentiert er seine neueste Arbeit „The Return“, eine moderne Adaption der Odyssee, in der er die Rolle des Odysseus übernimmt.
Der Film erzählt von einem Krieger, der nach jahrelanger Abwesenheit in ein zerrüttetes Zuhause zurückkehrt – getragen von Schmerz, Schweigen und dem Wunsch nach Versöhnung.
Dass Künstler wie Fiennes am Festival teilnehmen, unterstreicht, wie wichtig internationale Präsenz ist: Sie öffnet Räume für den Austausch zwischen Kulturen und bringt das globale Erzählkino direkt ins Herz Barcelonas.
Berlinale im Rampenlicht, Barcelona mit Herz

Im Gegensatz zu den glanzvollen, roten Teppichen des San Sebastián International Film Festival, das als bedeutendstes und ältestes Filmfestival Spaniens gilt und zur exklusiven Gruppe der A-Kategorie-Festivals der FIAPF gehört – also in derselben Liga wie Cannes, Venedig oder die Berlinale spielt – geht es in Barcelona weniger um Wettbewerb und Weltpremieren als um inhaltliche Tiefe. Das San Sebastián zieht zum Beispiel alljährlich große Studios, Oscar-Favoriten und internationale Stars an die baskische Küste.
Wer aber nach einem deutschen Vergleich sucht, stößt unweigerlich auf die Berlinale – das größte Publikumsfestival der Welt. Doch wo Berlin mit Internationalität, Wettbewerb und gesellschaftspolitischen Statements punktet, schlägt das BCN eine feinere Note an.
Die Berlinale denkt laut, das BCN leise, aber nicht weniger klug. In Barcelona geht es mehr um die Frage, wie sich Geschichten über Zeiten, literarische Adaptionen oder feinfühlige Biopics erzählen lassen, die das Leben realer Figuren auf die Leinwand holen.
Das BCN Film Fest hat sich eine Nische geschaffen. Genau dort entfaltet es seinen Charme. Statt Konkurrenz zählt hier Kontext. Statt Glanz das Gespräch. Die Filme, die hier laufen, fragen nicht nach Schlagzeilen, sondern nach Herkunft, Sprache und innerem Gehalt.
Natürlich erzählen auch die großen Festivals Geschichten mit Tiefe und viele der dort gezeigten Filme prägen ganze Generationen. Doch das BCN Film Fest spielt eben in einem anderen Takt: kleiner, näher, persönlicher. Hier verliert sich nichts im Blitzlicht. Hier darf Kino atmen.

Alina Brammer ist Spanienmagazin-Expertin für Natur, Tierwohl und Spaniens Filmszene.
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